Einheitliche Regeln für Bundesaufträge
Der BTTG-E enthält zentrale Regelungen, die im Falle der Verabschiedung des Gesetzes sowohl die Vergabepraxis des Bundes als auch die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen öffentlicher Aufträge prägen werden.
Die Neuregelung betrifft insbesondere den Anwendungsbereich, die Pflichten der Auftragnehmer, die Rolle des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bei der Festlegung tariflicher Arbeitsbedingungen sowie die Überwachungs- und Sanktionsmechanismen.
Im Folgenden werden die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfs zusammengefasst:
- Anwendungsbereich und Ausnahmen (§ 1 BTTG-E)
Das BTTG-E gilt für öffentliche Aufträge und Konzessionen, die durch den Bund oder dem Bund zurechenbare öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber vergeben werden. Bei der Regelung des personellen Anwendungsbereichs orientiert sich der Entwurf an § 159 Abs. 1 GWB (Zuständigkeit der Vergabekammer des Bundes), der die Zurechenbarkeit öffentlicher Aufträge und Konzessionen zur Sphäre des Bundes beschreibt.
Damit verweist der Gesetzesentwurf nicht auf den gesellschaftsrechtlichen Begriff des „beherrschenden Einflusses“, sondern definiert eine eigene, funktionsbezogene Zurechnung zur Bundesebene.
Das Gesetz findet Anwendung auf Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge sowie Konzessionen, sobald der geschätzte Auftragswert 50.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) überschreitet. Es gilt – mit Ausnahme von § 14 BTTG-E – nur für Leistungen, die in Deutschland erbracht werden.
Unterhalb der EU-Schwellenwerte greift das BTTG-E nur, wenn ein Anwendungsbefehl zur Durchführung eines Vergabeverfahrens vorgesehen ist. Der personelle Anwendungsbereich erstreckt sich im Unterschwellenbereich damit beispielsweise nicht auf bundeseigene Gesellschaften. Ausdrücklich erfasst sind auch Rahmenvereinbarungen, während bei gemeinsamen Vergaben mit Ländern oder mit ausländischen Stellen Abweichungen zulässig sind, sofern eine Einigung über die Anwendung des BTTG-E nicht erreicht wird.
Ausnahmen gelten insbesondere für den Verteidigungs- und Sicherheitsbereich sowie bestimmte Beschaffungen der Bundeswehr und Sicherheitsbehörden. Diese Bereiche sind bis zum 31. Dezember 2032 vom Gesetz ausgenommen, um Anpassungen an bestehende sicherheitsspezifische Vergabestrukturen zu ermöglichen.
- Tariftreueversprechen und Anspruch auf tarifvertragliche Arbeitsbedingungen (§§ 3, 4 BTTG-E)
Kern des Gesetzes ist das Tariftreueversprechen, das der Auftragnehmer gegenüber dem Bundesauftraggeber abgeben muss. Danach verpflichtet sich der Auftragnehmer, allen im Rahmen der Auftragsausführung eingesetzten Arbeitnehmern mindestens die Arbeitsbedingungen zu gewähren, die in der einschlägigen Rechtsverordnung des BMAS gemäß § 5 BTTG-E festgelegt sind. Diese Verpflichtung erfasst auch Nachunternehmer und Verleiher, sodass Umgehungskonstruktionen über Subunternehmen oder Leiharbeit ausgeschlossen werden. Die Verpflichtung wirkt über die gesamte Auftragskette fort und gilt unabhängig davon, ob der Auftragnehmer selbst tarifgebunden ist.
Beschäftigte erhalten damit einen unmittelbaren, individualrechtlich durchsetzbaren Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Einhaltung der tariflichen Arbeitsbedingungen (§ 4 Abs. 1 BTTG-E). Ein Verzicht auf diesen Anspruch ist grundsätzlich ausgeschlossen und nur im Rahmen eines von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleichs zulässig; eine Verwirkung ist ausdrücklich ausgeschlossen.
Darüber hinaus besteht eine Informationspflicht des Arbeitgebers: Spätestens bis zum 15. Tag des Folgemonats nach Aufnahme der Tätigkeit müssen die Beschäftigten über die für sie maßgeblichen Arbeitsbedingungen schriftlich informiert werden. Diese Pflicht gilt auch gegenüber Leiharbeitnehmern.
- Festlegung verbindlicher Arbeitsbedingungen durch Rechtsverordnungen (§ 5 BTTG-E)
Das BMAS erhält die Befugnis, auf Antrag einer Gewerkschaft oder eines Arbeitgeberverbands durch Rechtsverordnung bestimmte tarifvertragliche Arbeitsbedingungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge verbindlich festzusetzen.
Zu den festsetzbaren Bedingungen gehören insbesondere:
o die Entlohnung im Sinne des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG),
o der bezahlte Mindestjahresurlaub,
o sowie die Höchstarbeits- und Ruhezeiten.
Die jeweilige Verordnung bezieht sich grundsätzlich auf eine Branche und gilt für alle öffentlichen Aufträge, die innerhalb ihres sachlichen und räumlichen Geltungsbereichs liegen. Maßstab ist dabei der repräsentativste Tarifvertrag der jeweiligen Branche.
Bei konkurrierenden Tarifverträgen ist vorgesehen, dass eine Clearingstelle beim BMAS eingerichtet wird, die über die Repräsentativität entscheidet und Überschneidungen vermeidet. Vor Erlass der Verordnung erfolgt eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger mit der Möglichkeit zur Stellungnahme. Mit dem Stellungnahmerecht wird die Möglichkeit eröffnet, die Clearingstelle einzuberufen. Diese gibt eine Empfehlung darüber ab, ob und mit welchem Inhalt eine Rechtsverordnung erlassen werden soll.
Die Verordnungen gelten fort, bis sie aufgehoben oder ersetzt werden. Das BMAS veröffentlicht die jeweils geltenden Arbeitsbedingungen zentral und barrierefrei im Internet.
- Kontrollmechanismen, Nachweise und Zertifizierung (§§ 8–10 BTTG-E)
Zur Sicherstellung der Einhaltung der Tariftreuepflichten wird eine „Prüfstelle Bundestariftreue“ bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See eingerichtet. Sie führt anlassbezogene Kontrollen durch, wenn hinreichende Anhaltspunkte für Verstöße vorliegen. Hinweise können von Auftraggebern, Beschäftigten oder Dritten kommen.
Die Prüfstelle kann Nachweise anfordern wie Lohnabrechnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen oder Verträge, welche dann durch die Auftragnehmer vorzulegen sind. Zur Entlastung der Unternehmen kann die Einhaltung der Tariftreueverpflichtung auch über eine Zertifizierung nachgewiesen werden, etwa im Rahmen einer Präqualifizierung. Ein Zertifikat ersetzt jedoch nicht die Kontrolle bei einem konkreten Verdachtsfall.
- Sanktionen und Rechtsfolgen (§§ 11–14 BTTG-E): Verstöße gegen die Tariftreuepflichten können zivilrechtlich, vergaberechtlich und haftungsrechtlich sanktioniert werden.
o Zivilrechtliche Sanktionen: Bundesauftraggeber sind verpflichtet, in den Verträgen Vertragsstrafen vorzusehen, welche bis zu 1 % des Auftragswertes je Verstoß, höchstens jedoch 10 % bei mehreren Verstößen betragen. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann der Auftraggeber den Vertrag zudem außerordentlich kündigen.
o Feststellung von Verstößen: Eine Vertragsstrafe darf erst verhängt werden, nachdem die Prüfstelle durch Verwaltungsakt einen erheblichen Verstoß festgestellt hat. Dieses Verfahren ist als Vorverfahren ausgestaltet, um Rechtssicherheit zu schaffen.
o Nachunternehmerhaftung: Auftragnehmer haften wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Zahlung der Nettoentgelte der von ihren Nachunternehmern oder Verleihern eingesetzten Arbeitnehmer. Eine Haftungsfreistellung ist möglich, wenn der Auftragnehmer eine Zertifizierung nach § 10 BTTG-E vorlegt und keine Anhaltspunkte für Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Nachunternehmers bestehen.
o Ausschluss von Vergabeverfahren: Schwere oder wiederholte Verstöße können als fakultativer Ausschlussgrund von künftigen Vergabeverfahren gewertet werden. Zudem ist eine Eintragung in das Wettbewerbsregister vorgesehen, sodass Verstöße für öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber oder Konzessionsgeber bundesweit nachvollziehbar bleiben.
- Klagemöglichkeit (§ 15 BTTG-E)
Beschäftigte können ihre Ansprüche auf Einhaltung der tariflichen Arbeitsbedingungen vor den deutschen Arbeitsgerichten geltend machen. Das gilt ausdrücklich auch für Beschäftigte mit ausländischen Arbeitgebern, sofern die Tätigkeit im territorialen Anwendungsbereich des BTTG-E erbracht wurde. Damit schafft das Gesetz eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit und stärkt den individuellen Rechtsschutz im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe.
- Übergangsregelung und Inkrafttreten (§ 16 BTTG-E)
Das Bundestariftreuegesetz soll nur auf Vergabeverfahren Anwendung finden, die nach seinem Inkrafttreten eingeleitet werden. Bereits begonnene oder abgeschlossene Verfahren bleiben unberührt. Das Inkrafttreten ist für den Tag nach der Verkündung, frühestens jedoch zum 1. Januar 2026, vorgesehen.
Begleitende Änderungen des Wettbewerbsregistergesetzes, die für die Vollzugskontrolle erforderlich sind, treten erst in Kraft, wenn die technischen Voraussetzungen geschaffen wurden; der genaue Zeitpunkt wird im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben.