Keine mittelbare Diskriminierung durch Ausschluss von Erziehungszeiten bei Wartezeit zur Betriebsrente (BAG Urt. v. 06.05.2025, 3 AZR 65/24)
Das BAG hat in seinem Urteil vom 06.05.2025 (3 AZR 65/24) entschieden, dass die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Erziehungsurlaubs bei der Wartezeit für eine Besitzstandsrente in der betrieblichen Altersversorgung keine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellt.
Sachverhalt
- Die Klägerin war bei der Deutschen Bundespost und später bei der Deutschen Post AG beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge der Deutschen Bundespost Anwendung, insbesondere der Versorgungstarifvertrag (VersTV) und die Satzung der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (VAP-Satzung).
- Die VAP-Satzung sah vor, dass für die Erfüllung der Wartezeit zur betrieblichen Altersversorgung Umlagemonate oder Zeiten freiwilliger Versicherung erforderlich sind (§ 35 VAP).
- Zwischen Februar 1992 und November 1996 nahm sie Erziehungsurlaub. Für diese Zeit wurden keine Umlagen zur betrieblichen Altersversorgung (VAP) entrichtet.
- Die Klägerin begehrte die Berücksichtigung der Erziehungszeiten zur Erfüllung der Wartezeit für einen Besitzstandsbetrag der betrieblichen Altersversorgung. Sie sah in der Nichtberücksichtigung eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, da überwiegend Frauen Erziehungsurlaub nehmen. Hilfsweise berief sich die Klägerin auf § 4 Abs. 1 Satz 3 TV-BRP, wonach bis zu drei Jahre Elternzeit anrechenbar sind.
Entscheidungsgründe
- Wartezeitregelung: Die Wartezeit nach § 35 VAP-Satzung ist ausschließlich durch Umlagemonate oder freiwillige Versicherungszeiten erfüllbar. Elternzeit-Zeiten ohne Umlagezahlung zählen nicht. § 4 Abs. 1 S. 3 TV-BRP, der Elternzeit bis zu drei Jahren berücksichtigt, bezieht sich nur auf die Betriebsrente Post, nicht auf den Besitzstandsbetrag.
- Keine mittelbare Diskriminierung: Eine mittelbare Benachteiligung von Frauen liegt nicht vor. Selbst wenn Frauen häufiger betroffen sind, ist die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt:
- Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis, es besteht kein Entgelt- und damit auch kein Umlageanspruch.
- Arbeitgeber müssen für ruhende Arbeitsverhältnisse keine zusätzlichen Leistungen erbringen; dies entspricht ständiger Rechtsprechung von BAG und EuGH.
- Die Differenzierung verhindert eine ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber Teilzeitkräften, die tatsächlich Arbeit leisten.
- Die Anknüpfung an Umlagemonate dient der Systemlogik und Finanzierbarkeit des umlagebasierten Versorgungssystems.
- Unionsrecht: Die hierzu relevanten Regelungen des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1158 („Vereinbarkeitsrichtlinie“) sind nicht anwendbar, da die Elternzeiten der Klägerin in den 1990er-Jahren lagen.
- AGG und BEEG: Die Regelung verstößt weder gegen § 7 AGG noch gegen § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG. Sie beschränkt nicht den Anspruch auf Elternzeit selbst, sondern knüpft lediglich an das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an.
- Keine Vorlagepflicht: Eine Vorlage an den EuGH war entbehrlich, da die unionsrechtliche Zulässigkeit solcher Differenzierungen geklärt ist.
Folgen für die Praxis
Das Urteil bestätigt, dass in umlagefinanzierten Systemen der betrieblichen Altersversorgung nur solche Zeiten auf die Wartezeit angerechnet werden, für die tatsächlich Umlagen entrichtet oder freiwillige Beiträge geleistet wurden. Erziehungszeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht und kein Entgeltanspruch besteht, können daher unberücksichtigt bleiben, ohne dass hierin eine unzulässige mittelbare Diskriminierung liegt. Für die Tarifparteien bedeutet dies, dass sie Wartezeitregelungen weiterhin strikt an vergütungspflichtige Zeiten knüpfen dürfen, solange hierfür sachliche Gründe wie die Systemlogik und Finanzierbarkeit der Versorgung bestehen. Arbeitgeber gewinnen dadurch Rechtssicherheit, da sie während des Erziehungsurlaubs keine zusätzlichen Rückstellungen für Betriebsrenten bilden müssen. Unterschiede zu anderen Tarifnormen – etwa zu § 4 Abs. 1 S. 3 TV-BRP, der Elternzeiten berücksichtigt – bleiben strikt zu beachten, da eine Übertragung auf Besitzstandsregelungen ausgeschlossen ist