Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hat in den Urteilen vom 24.04.2024 und vom 26.04.2024 entschieden, dass ein Arbeitgeber sich gegenüber seinen Arbeitnehmern schadensersatzpflichtig machen kann, wenn er die für eine performanceabhängige variable Vergütung maßgeblichen Zielvorgaben entgegen der vertraglichen Vereinbarung zu spät festlegt.
Sachverhalt
- Die Arbeitnehmer konnten aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung eine jährliche performanceabhängige variable Vergütung (Bonus) erzielen.
- Der Bonus setzte sich aus zwei Komponenten zusammen: Aus einem unternehmensbezogenen Bonus, dessen Höhe sich nach der Erreichung der vom Arbeitgeber zu Beginn des Geschäftsjahres einseitig festzulegenden Unternehmenszielen richtet, und aus dem individuellen Bonus, dessen Höhe sich nach der Erreichung von individuellen Zielen ermittelte, die der Arbeitgeber und der jeweilige Mitarbeiter in einem Zielvereinbarungsgespräch zu Beginn des Geschäftsjahres zu vereinbaren hatten.
- Für das Geschäftsjahr 2021 wurden die individuellen Ziele Anfang 2021 zwischen den Parteien vereinbart, die Unternehmensziele setzte der Arbeitgeber erst am 26.10.2021 fest. Diese Unternehmensziele wurden im Geschäftsjahr 2021 nicht erreicht und der Arbeitgeber zahlte daher keinen unternehmensbezogenen Bonus.
- Die Mitarbeiter machten jeweils geltend, die im Oktober 2021 erfolgte Festsetzung des unternehmensbezogenen Bonus sei zu spät erfolgt und sie hätten daher jeweils einen Schadensersatzanspruch in Höhe des unternehmensbezogenen Bonus mit einem Zielerreichungsgrad von 100%.
Entscheidungsgründe
Das LAG Nürnberg gab den Klagen jeweils statt und erkannte jeweils einen Schadensersatzanspruch in Höhe des unternehmensbezogenen Bonus mit einem Zielerreichungsgrad von 100%.
- Die einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Unternehmensziele beinhalten festgelegte Zielvorgaben, die der Billigkeitskontrolle des § 315 BGB unterliegen.
- Zweck eines performanceabhängigen Bonus ist die Förderung der Mitarbeitermotivation. Die damit verbundene Incentivierung zur Zielerreichung kann nur gegeben sein, wenn der Mitarbeiter die konkreten Ziele bei der Ausübung seiner Tätigkeit im Referenzzeitraum kennt.
- Erfolgt eine Zielvorgabe zu einem so späten Zeitpunkt im Geschäftsjahr, dass die Anreizfunktion nicht mehr erfüllt werden kann, ist sie so zu behandeln, als wäre sie nicht erfolgt. Ein derart später Zeitpunkt ist jedenfalls anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr zum Zeitpunkt der Zielvorgabe bereits zu 75% abgelaufen ist.
Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des LAG Nürnberg fügt sich in die jüngere Rechtsprechung des BAG zum Schadensersatzanspruch des Mitarbeiters bei verspätetem/unterlassenen Abschluss der Zielvereinbarung für eine performanceabhängige variable Vergütung. Arbeitgeber sollten daher verbindliche Prozesse implementieren, um die rechtzeitige Festlegung, Kommunikation und Dokumentation der jeweiligen Zielvorgaben zu gewährleisten.
Der beklagte Arbeitgeber hat gegen beide Urteile Revision beim BAG eingelegt (10 AZR 114/24 und 10 AZR 125/24), die jeweils noch rechtshängig sind.