Unsere Monthly Dose Arbeitsrecht zur aktuellen Rechtsprechung behandelt in der neunten Ausgabe 2025 die Entscheidungen:
Datenschutzrechtliche Grenzen der Testdatenverarbeitung im Beschäftigungskontext
Das BAG entschied in seinem Urteil vom 08.05.2025 (8 AZR 209/21), dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Softwaretests nur dann zulässig ist, wenn sie auf einer klaren und rechtskonformen Grundlage beruhe. Die Verwendung von Echtdaten über die in einer Betriebsvereinbarung vereinbarten Kategorien hinaus verstößt gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), wenn sie nicht von einer unionsrechtlich zulässigen Rechtsgrundlage – insbesondere Art. 6 Abs. 1 DSGVO – gedeckt ist. Testverarbeitungen stellen eine Zweckänderung dar und können nur ausnahmsweise über Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt werden, wenn der Einsatz von Dummy-Daten nicht ausreicht. Dies gilt jedoch stets nur für den Zeitraum ab dem 25.05.2018.
Das Urteil des BAG hat erhebliche praktische Auswirkungen für Arbeitgeber. Softwaretests im HR-Bereich (v.a. die in der Praxis aktuell sehr populäre Workday-Software) dürfen nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen mit Echtdaten durchgeführt werden; grundsätzlich sind Dummy- oder Testdaten zu verwenden. Betriebsvereinbarungen setzen dabei verbindliche Obergrenzen für die zulässigen Datenkategorien – jede darüberhinausgehende Verarbeitung ist automatisch rechtswidrig. Da § 26 BDSG die Anforderungen des Art. 88 DSGVO nicht erfüllt, richtet sich die Zulässigkeit der Testdatenverarbeitung unmittelbar nach der DSGVO; eine Rechtfertigung über Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO scheidet aus, weil Tests eine Zweckänderung darstellen. Arbeitgeber haben die Erforderlichkeit gegenüber Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO konkret zu dokumentieren und strenge Datenminimierungsgrundsätze einzuhalten. Da bereits ein kontrollverlustbedingter immaterieller Schaden ersatzfähig ist, steigt das Haftungsrisiko für unzureichend gesteuerte Test- und Migrationsprozesse. Arbeitgebern sollten ihre IT-Testprozesse, Betriebsvereinbarungen, Löschkonzepte und konzerninternen Datenflüsse umfassend überprüfen und an die Vorgaben des BAG anpassen.
Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich
In seinem Urteil vom 03.06.2025 (9 AZR 104/24) entschied das BAG, dass ein Arbeitnehmer in einem bestehenden Arbeitsverhältnis, auch nicht durch einen gerichtlichen Vergleich, auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten kann.
Im laufenden Arbeitsverhältnis ist ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub ebenso ausgeschlossen wie ein Verzicht auf den erst mit rechtlicher Beendigung entstehenden Abgeltungsanspruch. Die bisher in der HR-Praxis häufig anzutreffende Vorgehensweise, über einen Tatsachenvergleich – insbesondere durch die Formulierung, der Urlaub ist „in natura gewährt“ – Urlaubsansprüche auszuschließen, kann unter Berücksichtigung dieses Urteils des BAG nur weiterhin Anwendung erfahren, wenn tatsächlich eine streitige tatsächliche Unsicherheit über die Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs besteht (s. dazu auch bereits die Präsentation zu unserem Deloitte Legal-Webcast vom 01.10.2025). Fehlt es – etwa bei durchgehender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – an dieser tatsächlichen Streitigkeit, ist eine vergleichsweise „in natura“-Regelung unwirksam.
Ein wirksamer Verzicht kann daher erst nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form einer Vereinbarung über den dann bereits entstandenen Abgeltungsanspruch erfolgen. Arbeitgeber sollten zudem das Instrument der unwiderruflichen Freistellung konsequent nutzen, um Urlaubsansprüche rechtssicher zu erfüllen und spätere Abgeltungsansprüche zu vermeiden.
Provisionszahlung in Kryptowährung als Sachbezug
Das BAG hat in seinem Urteil vom 16.04.2025 (10 AZR 80/24) entschieden, dass die Vergütung von Arbeitsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen auch in Kryptowährung als Sachbezug nach § 107 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) erfolgen kann - mit Ausnahme des unpfändbaren Teils vom Arbeitsentgelt.
Die Entscheidung des BAG stellt klar, dass die Zahlung der kompletten Arbeitsvergütung in Kryptowährungen unzulässig ist, weil der unpfändbare Teil nach § 107 Abs. 2 S. 5 GewO zwingend in Geld zu leisten ist. Allerdings können Arbeitgeber unter Beachtung der vom BAG bestimmten Voraussetzungen Teile des Arbeitsentgelts als Sachbezug in Kryptowerten leisten.
Es ist insbesondere im Einzelfall zu prüfen, ob eine derartige Vereinbarung objektiv im Interesse des Arbeitnehmers liegt – etwa aufgrund kryptoaffiner Tätigkeiten oder entsprechender Kenntnisse.
Damit Krypto-Vergütung rechtssicher umgesetzt werden kann, bedarf es klarer vertraglicher Regelungen – insbesondere zum Umrechnungskurs, zum Bewertungszeitpunkt und zur Übertragung auf das Wallet. Kursänderungen nach Fälligkeit trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer, Verzögerungen bei der Auszahlung hingegen der Arbeitgeber. Schließlich sind steuerliche Pflichten zu beachten: Für Lohnsteuer und Sozialabgaben zählt stets der EUR-Wert im Zeitpunkt des Zuflusses.
Sachgrundlose Befristung auch bei Betriebsratsmitgliedern zulässig
In seinem Urteil vom 18.06.2025 (7 AZR 50/24) entschied das BAG, dass ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 14 Abs. 2 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) mit Ablauf der Befristung endet und unionsrechtlich keine Einschränkung dieser Regelung geboten ist. Ein Betriebsratsmitglied kann aber einen Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Folgevertrags haben, wenn die Nichtübernahme wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgt.
Ob eine Benachteiligung vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung festzustellen. Die Beklagte hat nachvollziehbare Gründe für die Ablehnung des Folgevertrags genannt, die nicht mit der Betriebsratstätigkeit des Klägers zusammenhängen. Dass andere Betriebsratsmitglieder ein unbefristetes Vertragsangebot erhielten, wertet das BAG dabei lediglich als ein Indiz gegen eine Benachteiligung; dieses Indiz wurde durch den Vortrag der Beklagten im konkreten Fall entkräftet. Das LAG hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass keine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Betriebsratstätigkeit vorlag.
Die Entscheidung des BAG stellt klar, dass sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 TzBfG auch dann wirksam bleiben, wenn der Arbeitnehmer während der Vertragslaufzeit in den Betriebsrat gewählt wird. Ein besonderer Befristungsschutz für Betriebsratsmitglieder besteht nicht.
Arbeitgeber können sachgrundlos befristete Verträge regulär auslaufen lassen, müssen jedoch bei der Entscheidung über mögliche Folge-Arbeitsverträge sorgfältig darauf achten, keine Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit zu verursachen. Denn wird ein Folge-Arbeitsvertrag aus diesem Grund verweigert, kann ein Schadensersatzanspruch des betroffenen Arbeitnehmers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags entstehen.
Damit rückt die „amtsneutrale“ und gut dokumentierte Entscheidungsfindung in den Mittelpunkt: Gründe für oder gegen eine Übernahme müssen transparent, konsistent und belegbar sein, um im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast bestehen zu können. Insgesamt bestätigt die Entscheidung die arbeitsrechtliche Flexibilität der sachgrundlosen Befristung, schärft aber zugleich die Anforderungen an die diskriminierungsfreie Behandlung von Betriebsratsmitgliedern.
Anspruch einzelner Betriebsratsmitglieder auf personalisierte E-Mail-Adressen
Das LAG Niedersachsen hat in seinem Beschluss vom 25.04.2025 (17 TaBV 62/24) entschieden, dass auch einzelne Betriebsratsmitglieder eigene Ansprüche auf Bereitstellung von Sachmitteln nach § 40 Abs. 2 BetrVG geltend machen können, sofern diese im Rahmen ihrer eigenverantwortlichen Betriebsratstätigkeit erforderlich sind. Dazu können auch personalisierte E-Mail-Adressen gehören, die eine Kommunikation über die Unternehmensdomain hinaus ermöglichen.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber nicht ausschließlich auf das Betriebsratsgremium verweisen können, wenn einzelne Mitglieder die Bereitstellung bestimmter Kommunikationsmittel verlangen. Sobald ein Betriebsratsmitglied darlegt, dass ein Sachmittel – wie eine personalisierte E-Mail-Adresse mit externer Kommunikationsmöglichkeit – für seine eigenverantwortliche Amtsausübung erforderlich ist, besteht ein unmittelbarer Anspruch nach § 40 Abs. 2 BetrVG. Der Arbeitgeber kann die Bereitstellung daher nicht mit dem Hinweis auf fehlende Beschlüsse oder interne Organisationsfragen abwehren.
Die Entscheidung betont, dass moderne betriebliche Kommunikation regelmäßig persönliche Erreichbarkeit, Vertraulichkeit und den Austausch von Dokumenten erfordert. Kostenargumente werden von der Rechtsprechung nur in engen Grenzen anerkannt.
Das LAG Niedersachsen hat die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen. Die Beschwerde ist rechtshängig (7 ABR 27/25).
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