Monthly Dose Arbeitsrecht 09/2025

Ausgewählte aktuelle Rechtsprechung für die betriebliche Praxis

Unsere Monthly Dose Arbeitsrecht zur aktuellen Rechtsprechung behandelt in der neunten Ausgabe 2025 die Entscheidungen:

Datenschutzrechtliche Grenzen der Testdatenverarbeitung im Beschäftigungskontext

Das BAG entschied in seinem Urteil vom 08.05.2025 (8 AZR 209/21), dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Softwaretests nur dann zulässig ist, wenn sie auf einer klaren und rechtskonformen Grundlage beruhe. Die Verwendung von Echtdaten über die in einer Betriebsvereinbarung vereinbarten Kategorien hinaus verstößt gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), wenn sie nicht von einer unionsrechtlich zulässigen Rechtsgrundlage – insbesondere Art. 6 Abs. 1 DSGVO – gedeckt ist. Testverarbeitungen stellen eine Zweckänderung dar und können nur ausnahmsweise über Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt werden, wenn der Einsatz von Dummy-Daten nicht ausreicht. Dies gilt jedoch stets nur für den Zeitraum ab dem 25.05.2018.

Sachverhalt
  • Der Kläger ist bei der Beklagten als IT-Experte beschäftigt und Vorsitzender des bei der Beklagten gewählten Betriebsrats.
  • Die Beklagte plante im Jahr 2017 die konzernweite Einführung der cloudbasierten Software „Workday“ als neues Personal-Informationsmanagementsystem. Zwischen dem 24.04.2017 und dem 18.05.2017 übertrug die Beklagte personenbezogene Daten des Klägers auf eine Sharepoint-Seite der Konzernobergesellschaft in den USA, um sie in Workday zu testen. Die übermittelten Daten umfassten neben dienstlichen Informationen auch besonders schutzwürdige, aber nicht Art.-9-DSGVO-relevante, personenbezogene Daten wie Gehaltsangaben, private Adresse, Geburtsdatum, Familienstand, Sozialversicherungsnummer und Steuer-ID.
  • Am 03.07.2017 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über den vorläufigen Betrieb von Workday (BV Duldung) ab, welche die für den Test-Betrieb von Workday verwendbaren personenbezogenen Datenkategorien der Arbeitnehmer der Beklagten regelte (u.a. Personalnummer, Eintrittsdatum, Arbeitsort) und eine Verwendung von Workday für die Personalverwaltung im Testzeitraum verbot.
  • Die streitgegenständlichen Daten umfassten personenbezogene Datenkategorien, die nicht von BV Duldung erfasst waren (u.a. private Kontaktdaten, Vertrags- und Vergütungsdetails), die auch während der Laufzeit der BV Duldung in Workday verarbeitet wurden. Der Kläger machte hinsichtlich dieser nicht von BV Duldung erfassten Daten einen Verstoß gegen die DSGVO geltend.
  • Die Beklagte berief sich für die Verarbeitung der über die BV Duldung hinausgehenden personenbezogenen Datenkategorien auf § 26 Abs. 4 BDSG (= Zulässigkeit der Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten zum Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses auf der Grundlage einer Kollektivvereinbarung) und argumentierte zudem, dass kein immaterieller Schaden vorliege.
  • Das BAG setzte den Rechtsstreit zunächst aus und rief den EuGH zur Vereinbarkeit des § 26 Abs. 4 BDSG mit den gesetzlichen Anforderungen des Art. 88 DSGVO an. Der EuGH entschied mit Urteil vom 19.12.2024 (C-65/23), dass § 26 BDSG nicht mit den Anforderungen des Art. 88 DSGVO vereinbar ist und daher nicht als Ermächtigungsgrundlage für die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Erhebung der maßgeblichen Daten herangezogen werden kann.
Entscheidungsgründe
  • Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO: Der Kläger habe einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz, da laut BAG ein Verstoß gegen die DSGVO, ein Schaden und ein Kausalzusammenhang vorliegen.
  • Datenschutzverstoß durch die Beklagte: Die Beklagte hat personenbezogene Daten verarbeitet, die nicht von der BV Duldung erfasst waren. Die Verarbeitung dieser Daten ist nicht durch die BV Duldung gedeckt und somit rechtswidrig. Die Beklagte hat über die BV Duldung hinausgehende Daten wie private Kontaktdaten, Vertrags- und Vergütungsdetails, Sozialversicherungsnummer, Steuer-ID, Staatsangehörigkeit und Familienstand ohne ausreichende Rechtsgrundlage verarbeitet. Dabei hebt das BAG ausdrücklich hervor, dass es nicht auf die Rechtmäßigkeit der BV Duldung selbst nach Art. 88 DSGVO ankam, weil der Kläger die dort genannten Daten im Revisionsverfahren nicht mehr beanstandete.
  • Unzureichende Rechtsgrundlagen: § 26 Abs. 1 BDSG erfüllt nicht die Anforderungen der Öffnungsklausel des Art. 88 DSGVO und kann daher nicht als Rechtsgrundlage dienen. Die Verarbeitung ist auch nicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO gerechtfertigt, da sie über die in der BV Duldung vereinbarten Daten hinausging und nicht erforderlich gewesen sei. Eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO scheidet ebenfalls aus, da die Testzwecke nicht der Erfüllung des Arbeitsvertrags dienten. Grundsätzlich kann eine Testdatenverarbeitung über Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber konkret nachweist, dass Dummy-Daten nicht genügen – was hier nicht der Fall war. Zudem betont das BAG, dass die Fortdauer der Verarbeitung ab dem 25.05.2018 der DSGVO unterfällt, obwohl die Datenübertragung selbst 2017 erfolgte.
  • Vorliegen eines immateriellen Schadens: Der Kläger hat durch die unzulässige Datenverarbeitung einen immateriellen Schaden in Form eines Kontrollverlusts über seine personenbezogenen Daten erlitten. Auch ein kurzzeitiger Kontrollverlust kann einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellen, wenn er nachgewiesen wird. Der Schaden ist im konkreten Fall kausal durch den Datenschutzverstoß der Beklagten verursacht.
  • Bemessung des Schadenersatzes: Die Höhe berücksichtigt die Sensibilität der betroffenen Daten, den begrenzten Empfängerkreis im Konzern und die Dauer des Kontrollverlusts. Die Tatsache, dass die Daten in ein Drittland (USA) übertragen wurden, spiele bei der Bemessung keine Rolle, da der Kläger sich nicht auf Verstöße gegen Art. 44 ff. DSGVO berufen habe. Das BAG setzte den immateriellen Schadensersatz auf 200 EUR fest.
Folgen für die Praxis

Das Urteil des BAG hat erhebliche praktische Auswirkungen für Arbeitgeber. Softwaretests im HR-Bereich (v.a. die in der Praxis aktuell sehr populäre Workday-Software) dürfen nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen mit Echtdaten durchgeführt werden; grundsätzlich sind Dummy- oder Testdaten zu verwenden. Betriebsvereinbarungen setzen dabei verbindliche Obergrenzen für die zulässigen Datenkategorien – jede darüberhinausgehende Verarbeitung ist automatisch rechtswidrig. Da § 26 BDSG die Anforderungen des Art. 88 DSGVO nicht erfüllt, richtet sich die Zulässigkeit der Testdatenverarbeitung unmittelbar nach der DSGVO; eine Rechtfertigung über Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO scheidet aus, weil Tests eine Zweckänderung darstellen. Arbeitgeber haben die Erforderlichkeit gegenüber Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO konkret zu dokumentieren und strenge Datenminimierungsgrundsätze einzuhalten. Da bereits ein kontrollverlustbedingter immaterieller Schaden ersatzfähig ist, steigt das Haftungsrisiko für unzureichend gesteuerte Test- und Migrationsprozesse. Arbeitgebern sollten ihre IT-Testprozesse, Betriebsvereinbarungen, Löschkonzepte und konzerninternen Datenflüsse umfassend überprüfen und an die Vorgaben des BAG anpassen.

Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

In seinem Urteil vom 03.06.2025 (9 AZR 104/24) entschied das BAG, dass ein Arbeitnehmer in einem bestehenden Arbeitsverhältnis, auch nicht durch einen gerichtlichen Vergleich, auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten kann.

Sachverhalt
  • Die Parteien streiten über die Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Kalenderjahr 2023. Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.01.2019 bis zum 30.04.2023 als Betriebsleiter beschäftigt. Sein arbeitsvertraglicher Urlaubsanspruch betrug 30 Arbeitstage.
  • In einem gerichtlichen Vergleich vom 31.03.2023 vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis, u.a. gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 10.000,00 EUR zum 30.04.2023 endet.
  • Der Kläger war im Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 30.04.2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und nicht in der Lage, seinen Urlaub aus diesem Jahr in Anspruch zu nehmen.
  • Der gerichtliche Vergleich regelte in Ziff. 7, dass „Urlaubsansprüche in natura gewährt werden“. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass diese Formulierung faktisch zu einem unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs führe, obwohl Urlaub tatsächlich nicht genommen worden war, und er könne deswegen Urlaubsabgeltung beanspruchen.
  • In der dem Vergleichsschluss vorangegangenen Korrespondenz zwischen den Parteien wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 28.03.2023 darauf hin, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub unwirksam sei. Später erklärte der Kläger sich unter Hinweis auf die geäußerte Rechtsauffassung mit dem Vergleich einverstanden.
  • Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Abgeltung seines gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023 für sieben Arbeitstage. Die Instanzgerichte gaben der Klage statt. Die Beklagte verfolgte mit der Revision die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
  • Unwirksamkeit des Anspruchsausschlusses: Die Revision hatte keinen Erfolg. Das BAG erkannte, dass Ziff. 7 des Vergleiches einen nach § 13 Abs. 1 S. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs darstelle. Die Regelung sei nach § 134 BGB unwirksam.
  • Kein Verzicht im bestehenden Arbeitsverhältnis: Es könne weder auf den gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub noch auf den erst mit der rechtlichen Beendigung entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch bereits im bestehenden Arbeitsverhältnis verzichtet werden. Dies gelte auch, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs über eine künftige Beendigung bereits absehbar ist, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub krankheitsbedingt, nicht mehr in Anspruch nehmen kann.
  • Unionsrechtliche Vorgaben (Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG): § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG ist unionskonform nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG auszulegen. Der gesetzliche Mindesturlaub darf, außer im Falle der Beendigung, nicht durch finanzielle Vergütung ersetzt werden. Ein (im Voraus erklärter) Verzicht ohne finanziellen Ausgleich ist erst recht ausgeschlossen.
  • Kein Tatsachenvergleich mangels tatsächlicher Unsicherheiten: Ziff. 7 des Vergleichs enthält keinen Tatsachenvergleich, der einen Verzicht möglich machen würde. Dieser setzt voraus, dass Unsicherheiten über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Da der Kläger seit Beginn des Jahres 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, bestand kein Raum für Zweifel, dass kein Urlaub in natura gewährt worden war; damit fehlte es an der notwendigen tatsächlichen Unsicherheit.
  • Kein Vertrauenstatbestand – § 242 BGB nicht anwendbar: Die Beklagte durfte nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen. Zumal sie vor Vergleichsschluss ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass ein solcher Verzicht unwirksam sei, hat das BAG einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgelehnt.
Folgen für die Praxis

Im laufenden Arbeitsverhältnis ist ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub ebenso ausgeschlossen wie ein Verzicht auf den erst mit rechtlicher Beendigung entstehenden Abgeltungsanspruch. Die bisher in der HR-Praxis häufig anzutreffende Vorgehensweise, über einen Tatsachenvergleich – insbesondere durch die Formulierung, der Urlaub ist „in natura gewährt“ – Urlaubsansprüche auszuschließen, kann unter Berücksichtigung dieses Urteils des BAG nur weiterhin Anwendung erfahren, wenn tatsächlich eine streitige tatsächliche Unsicherheit über die Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs besteht (s. dazu auch bereits die Präsentation zu unserem Deloitte Legal-Webcast vom 01.10.2025). Fehlt es – etwa bei durchgehender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – an dieser tatsächlichen Streitigkeit, ist eine vergleichsweise „in natura“-Regelung unwirksam.

Ein wirksamer Verzicht kann daher erst nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form einer Vereinbarung über den dann bereits entstandenen Abgeltungsanspruch erfolgen. Arbeitgeber sollten zudem das Instrument der unwiderruflichen Freistellung konsequent nutzen, um Urlaubsansprüche rechtssicher zu erfüllen und spätere Abgeltungsansprüche zu vermeiden.

Provisionszahlung in Kryptowährung als Sachbezug

Das BAG hat in seinem Urteil vom 16.04.2025 (10 AZR 80/24) entschieden, dass die Vergütung von Arbeitsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen auch in Kryptowährung als Sachbezug nach § 107 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) erfolgen kann - mit Ausnahme des unpfändbaren Teils vom Arbeitsentgelt.

Sachverhalt
  • Die Klägerin war im Unternehmen der Beklagten tätig, die mit Kryptowährung handelte. Sie erhielt gemäß den relevanten Vereinbarungen im Arbeitsvertrag neben einem Grundgehalt eine Provision, die in EUR zu ermitteln und zum Zeitpunkt der Fälligkeit zum „aktuellen Wechselkurs“ in die Kryptowährung Ether (ETH) umzurechnen und zu erfüllen war.
  • Eine Abrechnung der Provisionsansprüche für Februar und März 2020 und etwaige Übertragung von ETH erfolgte bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2021 nicht, obwohl die Klägerin die Beklagte hierzu mehrfach aufforderte und ihr ein sog. Wallet für die Auszahlung mitteilte.
  • Stattdessen nahm die Beklagte Ende 2021 - nach einer pauschalen Berechnung der Provisionsansprüche - eine Auszahlung der Provision als EUR-Betrag i.H.v. 15.166,16 EUR brutto vor. Zudem übertrug die Beklagte der Klägerin zur Verrechnung mit den Provisionsansprüchen Kryptowährungen anderer Art (AGG Token und US-Dollar-Coins) auf private Wallets der Klägerin, die sie bei ihrer Berechnung der geltend gemachten ETH-Ansprüche entsprechend anrechnete.
  • Daraufhin verlangte die Klägerin gerichtlich die Übertragung von 19,194 ETH-Einheiten, unter Berücksichtigung des von der Beklagten ausgezahlten EUR-Betrags von 15.166,16 EUR brutto sowie der von ihr übertragenen Kryptowährungen, jeweils in ETH umgerechnet.
  • Die Instanzgerichte gaben der Klage statt. Die von der Beklagten erhobene Revision wies das BAG zurück.
Entscheidungsgründe
  • ETH als Sachbezug: Das BAG führte aus, dass die Kryptowährung ETH kein gesetzliches Zahlungsmittel („Geld“) ist und damit § 107 Abs. 1 GewO (Berechnung und Auszahlung in Euro) nicht anwendbar ist. Dennoch könne die Übertragung von ETH unter bestimmten Voraussetzungen als Arbeitsentgelt in Form von Sachbezug nach § 107 Abs. 2 S. 1 GewO zulässig sein.
  • Voraussetzungen: Nach § 107 Abs. 2 S. 1 GewO darf Arbeitsentgelt teilweise in Sachbezügen gewährt werden, wenn dies objektiv im Interesse des Arbeitnehmers liegt oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Eine Vergütung in ETH könne z.B. im Arbeitnehmerinteresse liegen. Dies sei im konkreten Einzelfall zu bejahen, da die Klägerin mit Kryptowährungen vertraut war, eine Kongruenz zwischen den als Berechnungsbasis ermittelten Eurobeträgen und dem zu übertragenden Kryptowert ETH vertraglich gewährleistet war und die Übertragung von ETH aufgrund ihrer Marktwertentwicklung einen besonderen Nutzen für die Klägerin in Form einer realen und nicht nur entfernten Gewinnchance bot.
  • Keine nachträgliche Vertragsanpassung: Das BAG lehnte eine nachträgliche Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) mit Blick auf die zwischenzeitlichen Kurssteigerungen der ETH nach Fälligkeit der Provisionen ab. Dies im Kern mit dem Argument, dass die Risiken – ebenso wie die Chancen – der weiteren Kursentwicklung bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung zum Fälligkeitszeitpunkt ausschließlich bei der Klägerin liegen.
  • Ausnahme für den unpfändbaren Teil des Arbeitsentgelts: Zumindest der unpfändbare Teil des Arbeitsentgelts (§§ 850 ff. Zivilprozessordnung (ZPO)) muss jedoch gemäß § 107 Abs. 2 S. 5 GewO zwingend in Geld ausgezahlt werden; insoweit sei die Sachbezugsvereinbarung teilweise nichtig. Da das LAG die Pfändungsfreigrenzen nicht korrekt berücksichtigt habe, verwies das BAG den Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG stellt klar, dass die Zahlung der kompletten Arbeitsvergütung in Kryptowährungen unzulässig ist, weil der unpfändbare Teil nach § 107 Abs. 2 S. 5 GewO zwingend in Geld zu leisten ist. Allerdings können Arbeitgeber unter Beachtung der vom BAG bestimmten Voraussetzungen Teile des Arbeitsentgelts als Sachbezug in Kryptowerten leisten.

Es ist insbesondere im Einzelfall zu prüfen, ob eine derartige Vereinbarung objektiv im Interesse des Arbeitnehmers liegt – etwa aufgrund kryptoaffiner Tätigkeiten oder entsprechender Kenntnisse.

Damit Krypto-Vergütung rechtssicher umgesetzt werden kann, bedarf es klarer vertraglicher Regelungen – insbesondere zum Umrechnungskurs, zum Bewertungszeitpunkt und zur Übertragung auf das Wallet. Kursänderungen nach Fälligkeit trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer, Verzögerungen bei der Auszahlung hingegen der Arbeitgeber. Schließlich sind steuerliche Pflichten zu beachten: Für Lohnsteuer und Sozialabgaben zählt stets der EUR-Wert im Zeitpunkt des Zuflusses.

Sachgrundlose Befristung auch bei Betriebsratsmitgliedern zulässig

In seinem Urteil vom 18.06.2025 (7 AZR 50/24) entschied das BAG, dass ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 14 Abs. 2 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) mit Ablauf der Befristung endet und unionsrechtlich keine Einschränkung dieser Regelung geboten ist. Ein Betriebsratsmitglied kann aber einen Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Folgevertrags haben, wenn die Nichtübernahme wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgt.

Sachverhalt
  • Die Parteien streiten über die Beendigung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses sowie hilfsweise über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ein Angebot für einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu unterbreiten.
  • Der Kläger war zunächst als Leiharbeitnehmer bei der Beklagten tätig und schloss am 15.02.2021 einen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 14.02.2022, der später bis zum 14.02.2023 verlängert wurde.
  • Seit dem 28.06.2022 war der Kläger Mitglied des bei der Beklagten neu gegründeten Betriebsrats.
  • Der Vorgesetzte des Klägers wandte sich am 19.08.2022 per E-Mail an den Betriebsrat, da der Kläger sich mehrfach nach Betriebsratstätigkeit krankgemeldet hatte und Betriebsratsarbeit während der Schichtzeiten ohne Absprache erledigte.
  • Insgesamt waren 19 Arbeitnehmer befristet bis zum 14.02.2023 beschäftigt; 16 von ihnen erhielten ein Angebot für einen unbefristeten Folgevertrag, der Kläger und ein weiteres Betriebsratsmitglied jedoch nicht. Der Kläger vermutet, dass ihm wegen seiner Betriebsratstätigkeit kein Folge-Arbeitsvertrag angeboten wurde.
  • Mit seiner Klage vom 07.03.2023 begehrte der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch Fristablauf geendet habe, hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe eines Angebots für einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
  • Die Beklagte argumentierte, dass die Ablehnung eines Folgevertrags nicht wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgte, sondern aufgrund unzufriedenstellender Arbeitsleistung und konkreter Vorfälle, etwa einer Arbeitsverweigerung am 25.08.2022.
  • Die Instanzgerichte wiesen die Klage ab; der Kläger legte Revision ein, die ebenfalls erfolglos blieb.
Entscheidungsgründe
  • Wirksamkeit der Befristung: Die Befristung des Arbeitsverhältnisses ist nach § 14 Abs. 2 TzBfG zulässig, da sie innerhalb der gesetzlich erlaubten zwei Jahre liegt. Die frühere Tätigkeit als Leiharbeitnehmer ist keine Vorbeschäftigung i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG und war nicht anzurechnen. Die Mitgliedschaft im Betriebsrat steht der Anwendung von § 14 Abs. 2 TzBfG nicht entgegen. Eine unionsrechtliche gebotene Einschränkung der sachgrundlosen Befristung für Betriebsratsmitglieder wurde nicht erkannt. Auch eine teleologische Reduktion der Norm scheidet aus, da der Wille des Gesetzgebers - Betriebsratsmitglieder vom Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 TzBfG nicht auszunehmen – eindeutig erkennbar ist. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH war nicht erforderlich.
  • Anspruch auf unbefristeten Folgevertrag: Ein Anspruch auf Abschluss eines Folgevertrags besteht nur, wenn die Ablehnung durch den Arbeitgeber wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgt ist (§ 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB). Das BAG stützt den möglichen Anspruch auf Schadensersatz wegen verbotener Benachteiligung im Sinne des § 78 S. 2 BetrVG.

Ob eine Benachteiligung vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung festzustellen. Die Beklagte hat nachvollziehbare Gründe für die Ablehnung des Folgevertrags genannt, die nicht mit der Betriebsratstätigkeit des Klägers zusammenhängen. Dass andere Betriebsratsmitglieder ein unbefristetes Vertragsangebot erhielten, wertet das BAG dabei lediglich als ein Indiz gegen eine Benachteiligung; dieses Indiz wurde durch den Vortrag der Beklagten im konkreten Fall entkräftet. Das LAG hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass keine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Betriebsratstätigkeit vorlag.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG stellt klar, dass sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 TzBfG auch dann wirksam bleiben, wenn der Arbeitnehmer während der Vertragslaufzeit in den Betriebsrat gewählt wird. Ein besonderer Befristungsschutz für Betriebsratsmitglieder besteht nicht.

Arbeitgeber können sachgrundlos befristete Verträge regulär auslaufen lassen, müssen jedoch bei der Entscheidung über mögliche Folge-Arbeitsverträge sorgfältig darauf achten, keine Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit zu verursachen. Denn wird ein Folge-Arbeitsvertrag aus diesem Grund verweigert, kann ein Schadensersatzanspruch des betroffenen Arbeitnehmers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags entstehen.

Damit rückt die „amtsneutrale“ und gut dokumentierte Entscheidungsfindung in den Mittelpunkt: Gründe für oder gegen eine Übernahme müssen transparent, konsistent und belegbar sein, um im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast bestehen zu können. Insgesamt bestätigt die Entscheidung die arbeitsrechtliche Flexibilität der sachgrundlosen Befristung, schärft aber zugleich die Anforderungen an die diskriminierungsfreie Behandlung von Betriebsratsmitgliedern.

Anspruch einzelner Betriebsratsmitglieder auf personalisierte E-Mail-Adressen

Das LAG Niedersachsen hat in seinem Beschluss vom 25.04.2025 (17 TaBV 62/24) entschieden, dass auch einzelne Betriebsratsmitglieder eigene Ansprüche auf Bereitstellung von Sachmitteln nach § 40 Abs. 2 BetrVG geltend machen können, sofern diese im Rahmen ihrer eigenverantwortlichen Betriebsratstätigkeit erforderlich sind. Dazu können auch personalisierte E-Mail-Adressen gehören, die eine Kommunikation über die Unternehmensdomain hinaus ermöglichen.

Sachverhalt
  • Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit mehrere hundert Supermärkte.
  • Für den antragstellenden Bezirksbetriebsrat wurde eine zentrale E-Mail-Adresse unter der Domain „n.-online.de“ eingerichtet, auf die alle Betriebsratsmitglieder zugreifen können. Den Antragstellern – zwei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern – stellte die Arbeitgeberin keine eigenen personalisierten E-Mail-Adressen zur Verfügung, während andere Beschäftigte (einschließlich freigestellter BR-Mitglieder) teilweise über personalisierte E-Mail-Accounts verfügten, die auch externe Kommunikation ermöglichen.
  • Die Antragsteller, nicht freigestellte Mitglieder des Bezirksbetriebsrats, verlangten ebenfalls personalisierte E-Mail-Adressen, die es ihnen ermögliche, auch mit externen Stellen und Beschäftigten außerhalb der Domain zu kommunizieren. Dies sei angesichts der Betriebsgröße und der notwendigen vertraulichen Kommunikation für eine effektive Betriebsratsarbeit unerlässlich. Dabei sei nicht nur der Betriebsrat als Gremium, sondern auch einzelne Betriebsratsmitglieder anspruchsberechtigt.
  • Die Arbeitgeberin lehnte die Einrichtung solcher personalisierten E-Mail-Adressen ab. Sie argumentierte insbesondere, der Anspruch auf Sachmittel stehe ausschließlich dem Betriebsrat als Kollektivorgan zu; zudem fehle ein entsprechender Beschluss des Gremiums. Kollektive Mitwirkungsrechte seien ausschließlich vom Betriebsrat als Gremium wahrzunehmen.
  • Das Arbeitsgericht Celle wies den Antrag ab. Hiergegen legten die Betriebsratsmitglieder Beschwerde ein und machten zusätzlich eine unzulässige Behinderung der Betriebsratsarbeit geltend.
Entscheidungsgründe
  • Das LAG gab der Beschwerde teilweise statt und verpflichtete die Arbeitgeberin, den Betriebsratsmitgliedern personalisierte E-Mail-Adressen mit externer Kommunikationsmöglichkeit bereitzustellen. Der weitergehende Feststellungsantrag (Behinderung der Betriebsratsarbeit) wurde als unzulässig abgewiesen.
  • Aktivlegitimation einzelner Betriebsratsmitglieder: Sofern Sachmittel für seine eigenverantwortliche Tätigkeit erforderlich sind, könne ein einzelnes Betriebsratsmitglied Ansprüche auf § 40 Abs. 2 BetrVG stützen. Ein Gremienbeschluss sei in solchen Fällen nicht zwingend erforderlich. Dass der Betriebsrat ausschließlicher Anspruchsinhaber sei, ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus einer systematischen oder teleologischen Auslegung. Eine gegenteilige Sicht würde bedeuten, dass eine Mehrheit im Betriebsrat der Minderheit erforderliche Sachmittel faktisch vorenthalten könnte – das hielt das Gericht für unvereinbar mit dem Funktionsgedanken des BetrVG.
  • Personalisierte E-Mail-Adressen können erforderlich sein: Die Antragsteller durften die Bereitstellung personalisierter E-Mail-Adressen - auch zur Kommunikation außerhalb der unternehmenseigenen Domain – verlangen. Angesichts der Betriebsgröße, der Vielzahl der Beschäftigten und der Notwendigkeit schneller und vertraulicher Kommunikation sei eine zentrale Betriebsratsadresse nicht ausreichend. Eine Kommunikation über Telefon oder schriftliche Notizen sei im modernen Betriebsalltag weder praktikabel noch zeitgemäß und ermögliche insbesondere keinen vertraulichen Austausch von Dokumenten. Darüber hinaus sei es nicht hinnehmbar, Beschäftigte auf eine zentrale E-Mail-Adresse zu verweisen, auf die zahlreiche Personen Zugriff haben.
  • Keine berechtigten Interessen der Arbeitgeberin: Angesichts der geringen Kostenlast für die Konfiguration der E-Mail-Adressen bestünden keine schutzwürdigen Interessen der Arbeitgeberin. Konkrete Sicherheits- oder organisatorische Bedenken wurden nicht dargelegt.
  • Unzulässigkeit des Feststellungsantrags: Der weitere Antrag auf Feststellung einer Behinderung der Betriebsratstätigkeit durch die Arbeitgeberin wurde hingegen als unzulässig zurückgewiesen. Eine isolierte Feststellung einer Benachteiligung begründet kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO.
Folgen für die Praxis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber nicht ausschließlich auf das Betriebsratsgremium verweisen können, wenn einzelne Mitglieder die Bereitstellung bestimmter Kommunikationsmittel verlangen. Sobald ein Betriebsratsmitglied darlegt, dass ein Sachmittel – wie eine personalisierte E-Mail-Adresse mit externer Kommunikationsmöglichkeit – für seine eigenverantwortliche Amtsausübung erforderlich ist, besteht ein unmittelbarer Anspruch nach § 40 Abs. 2 BetrVG. Der Arbeitgeber kann die Bereitstellung daher nicht mit dem Hinweis auf fehlende Beschlüsse oder interne Organisationsfragen abwehren.

Die Entscheidung betont, dass moderne betriebliche Kommunikation regelmäßig persönliche Erreichbarkeit, Vertraulichkeit und den Austausch von Dokumenten erfordert. Kostenargumente werden von der Rechtsprechung nur in engen Grenzen anerkannt.

Das LAG Niedersachsen hat die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen. Die Beschwerde ist rechtshängig (7 ABR 27/25).

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