Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat mit Urteil vom 11.11.2024 (7 SLa 306/24) entschieden, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers während der gesetzlichen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG wirksam war. Dafür, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Hinweise auf Rechtsverstöße bei seinem Arbeitgeber als Whistleblower gekündigt wurde, trage der Arbeitnehmer nach Ansicht des Gerichts die volle Darlegungs- und Beweislast.
Sachverhalt
- Der klagende Arbeitnehmer war seit dem 01.04.2023 als Leiter Recht bei der beklagten Arbeitgeberin mit Aufgaben im Bereich Compliance und Hinweisgebersystem beschäftigt. Der Arbeitsvertrag bestimmte eine sechsmonatige Probezeit, in der das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von 1 Monat zum Monatsende gekündigt werden konnte.
- Es kam zu Differenzen mit dem Geschäftsführer wegen der rechtlichen Einschätzung eines Vertrags, insbesondere im Hinblick auf kartellrechtliche Bedenken.
- Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit am 28.09.2023 zum 30.09.2023.
- Der Kläger machte die Unwirksamkeit der Kündigung im Kern mit dem Argument geltend, dass der tatsächliche Kündigungsgrund in den vom Kläger gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten gemeldeten Rechtsverstößen gelegen habe.
- Der Kläger sah sich selbst als interne Meldestelle im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) und machte geltend, dass seine Kündigung eine unzulässige Repressalie nach § 36 HinSchG darstelle und die Kündigung aus diesem Grund unzulässig sei.
Entscheidungsgründe
- Das LAG Niedersachsen erkannte die Wirksamkeit der Kündigung, mit Umdeutung der Kündigungserklärung (nach Maßgabe des § 140 BGB) auf die vertraglich vereinbarte einmonatige Kündigungsfrist zum 31.10.2023.
- Der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG sei nicht eröffnet, da der Kläger keine substantiierten Tatsachen zu den behaupteten Verstößen vorgetragen habe. Die behaupteten Verstöße (u. a. gegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) HinSchG sowie Art. 101 und 102 AEUV) seien rechtlich nicht ausreichend dargelegt und rechtfertigten daher keine Anwendung des § 36 HinSchG. Die Kündigung sei daher nicht gem. § 134 BGB i.V.m. § 36 Abs. 1 HinSchG nichtig.
- Auch eine unzulässige Maßregelung nach § 612a BGB sei nicht feststellbar; es fehle an einem konkreten ursächlichen Zusammenhang zwischen dem vorgetragenen Hinweis auf die Rechtsverstöße und der Kündigung. Die Kündigung sei somit auch nicht gem. § 612a BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig.
Folgen für die Praxis
Das Urteil betont, dass Arbeitnehmer, die sich auf den Schutz des HinSchG berufen, konkrete, nachvollziehbare und rechtlich relevante Tatsachen zu angeblichen Verstößen darlegen müssen. Pauschale oder allgemein gehaltene Hinweise genügen nicht, um sich auf § 36 HinSchG zu berufen.
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass eine Kündigung insbesondere in der Probezeit/gesetzlichen Wartezeit nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 KSchG bei entsprechend transparenter Dokumentation des konkreten Kündigungsprozesses trotz vorangegangener Compliance-Hinweise möglich bleibt.