In der aktuellen globalen Wirtschaftslage sind Unternehmen immer öfter auch mit vertraglichen Fragestellungen rund um das Zoll- und Außenwirtschaftsrecht konfrontiert. Besonders relevant sind hier gegenwärtig die Auswirkungen von US-amerikanischen Strafzöllen und der sichere Umgang mit den Folgen von Sanktionen und Embargos. Betroffenen Unternehmen möchten wir in zwei Teilen zu dieser Thematik einen ersten Überblick geben. Im folgenden II. Teil gehen wir darauf ein, wie sich Sanktionen und Embargos auf Lieferverträge auswirken und wie man diesen am besten begegnen kann.
1.) Rechtsfolgen von Sanktionen
Sanktionen und Embargos haben erhebliche Auswirkungen auf die Lieferbeziehungen der betroffenen Parteien. Es sind Maßnahmen, die entweder gegen einzelne Staaten oder Gebiete (Wirtschaftssanktionen bzw. Embargos) oder gegen bestimmte natürliche oder juristische Personen (Finanzsanktionen) gerichtet sind (im folgenden zusammen „Sanktionen“). Diese werden von der Europäischen Union (EU) in Form von Verordnungen erlassen. Nach Inkrafttreten gelten sie automatisch für alle betroffenen natürlichen und juristischen Personen innerhalb der EU und somit auch für alle in Deutschland.
Der wesentliche Kern von Wirtschaftssanktionen besteht meist aus Regelungen, die es europäischen Wirtschaftsteilnehmern untersagen, bestimmte Güter, Technologien oder Software in ein sanktioniertes Land auszuführen – teilweise auch an bestimmte Personen oder Organisationen dort. Beispielsweise kann es verboten sein, Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Güter") an natürliche oder juristische Personen in einem sanktionierten Land zu verkaufen oder für deren Verwendung dorthin zu exportieren. Alternativ können bestimmte Ausfuhren von einer Genehmigung durch die zuständigen Behörden abhängig gemacht werden. Seltener ist auch die Einfuhr von Waren aus sanktionierten Ländern in die EU eingeschränkt.
Im Fokus der (individuellen) Finanzsanktionen stehen das sogenannte Einfriergebot und das Bereitstellungsverbot. Das Einfriergebot untersagt es sanktionierten natürlichen oder juristischen Personen, über ihre in der EU befindlichen Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen zu verfügen. Das Bereitstellungsverbot hingegen untersagt es, sanktionierten natürlichen oder juristischen Personen sowie mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Für die Bewertung der Auswirkungen der relevanten Sanktionen ist zunächst eine fachkundige und präzise Analyse der einzelnen Leistungsteile eines Liefervertrags entscheidend. Das Bestehen bestimmter Sanktionsbestimmungen führt oft nicht automatisch zu einem vollständigen Handelsverbot für die beteiligten Vertragsparteien. So führt beispielsweise ein Verbot, Dual-Use-Güter in ein von einem Wirtschaftssanktionen betroffenes Land zu liefern, nicht zwangsläufig auch zu einem Verbot, Zahlungen an den Geschäftspartner in diesem Land zu leisten. Wenn der Geschäftspartner jedoch zusätzlich selbst und individuell von Finanzsanktionen betroffen ist, wäre eine Zahlung an diesen ebenfalls nicht mehr zulässig.
Ähnlich wie im Kontext von Strafzöllen (siehe Teil I.) stellt sich die Frage, welche Handlungsoptionen einer betroffenen Partei zur Verfügung stehen, um sich aus einem von Sanktionen betroffenen Liefervertrag zu lösen oder zumindest dessen Anpassung zu verlangen.
2.) Vertragliche Regelungen
Im Idealfall enthalten vertragliche Lieferbeziehungen spezifische Bestimmungen (sogenannte Sanktionsklauseln), die einer Vertragspartei ermöglichen, sich in dem Umfang, in dem der Liefervertrag nicht erfüllbar ist, von diesem zu lösen. Falls solche Klauseln nicht ausdrücklich vorgesehen sind, kann auf allgemeine Vertragsklauseln zurückgegriffen werden, sofern diese vorhanden oder entsprechend vereinbart wurden.
Beispielsweise können an dieser Stelle Force-Majeure-Klauseln ("Klauseln zur höheren Gewalt") Anwendung finden. Solche Klauseln werden häufig vereinbart, um die Vertragsparteien vor einer Haftung zu schützen, wenn ein Vertrag aufgrund höherer Gewalt nicht mehr erfüllt werden kann. Einige Force-Majeure-Klauseln, wie etwa die Standardklauseln der Internationalen Handelskammer (ICC), führen Sanktionen ausdrücklich als Beispiele für Fälle höherer Gewalt auf. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, können Sanktionen nicht automatisch als höhere Gewalt angesehen werden. In einem solchen Fall muss dies vielmehr durch ergänzende Vertragsauslegung bestimmt werden.
Kommt eine Force-Majeure-Klausel (unmittelbar oder durch Auslegung) zur Anwendung und kann ein Fall höherer Gewalt angenommen werden, ist die Leistungspflicht des Vertragspartners grundsätzlich ausgeschlossen. An dieser Stelle lohnt sich jedoch eine detaillierte Betrachtung zweier verschiedener Konstellationen: Die Leistungspflicht des betroffenen Vertragspartners entfällt ohne Weiteres, wenn die Art der geschuldeten Leistung derart zeitgebunden ist, dass eine spätere oder nachgeholte Erfüllung nicht mehr als vertragsgemäße Leistung angesehen werden kann. Dies gilt beispielsweise grundsätzlich für "Just-in-Time"-Verträge.
Komplexer gestaltet sich der Fall, wenn lediglich eine allgemeine – also nicht zeitkritische – Leistungspflicht besteht. Die Standardklauseln der ICC sehen grundsätzlich vor, dass die Leistungspflicht eines betroffenen Vertragspartners wieder auflebt, sobald das Leistungshindernis in Zukunft entfällt. Allerdings dürfte dieser pauschalen Regelung der Sinn und Zweck der Sanktionen entgegenstehen. Ziel der Sanktionen dürften es sein, die betroffenen Lieferbeziehungen dauerhaft zu unterbinden, ohne dem betroffenen Land oder der sanktionierten natürlichen oder juristischen Person die Möglichkeit zu geben, die verbotenen Lieferbeziehungen nach Aufhebung der Sanktionen einfach fortzusetzen. Eine abschließende Bewertung der rechtlichen Konsequenzen ist jedoch stets im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen.
Es besteht auch die Möglichkeit, sogenannte Hardship-Klauseln zu vereinbaren. Diese lassen die Leistungspflicht der Parteien bestehen, räumen jedoch bei unvorhergesehenen und das vertragliche Gleichgewicht erschütternden Umständen ein Recht zur Vertragsanpassung ein. In der Praxis sind Hardship-Klauseln im Zusammenhang mit Sanktionen jedoch selten zielführend, da Sanktionen zumeist auch alternative Formen der Vertragsdurchführung mit einem sanktionierten Vertragspartner untersagen. Eine mögliche Vertragsanpassung muss daher stets kritisch und im Hinblick auf eine mögliche Umgehung der Sanktionen geprüft werden.
3.) Gesetzliche Regelungen
Sofern keine vertraglichen Regelungen greifen, ist auch ein Rückgriff auf gesetzliche Bestimmungen möglich. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass gesetzliche Regelungen die Wirksamkeit eines bereits geschlossenen Liefervertrags selbst nicht berühren, da der Erlass von Sanktionen nicht automatisch zu einer Vertragsauflösung der betroffenen Parteien führt.
Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn ein Liefervertrag erst nach dem Erlass von Sanktionen abgeschlossen würde. Die rechtliche Gestaltung in diesem Zusammenhang ist äußerst komplex und muss ebenfalls stets spezifisch von Fall zu Fall geprüft werden.
Im Hinblick auf gesetzliche Regelungen ist zunächst auf die speziellen europäischen Vorschriften zu verweisen. Die meisten Sanktionsverordnungen enthalten Bestimmungen, die die Erfüllung von Verpflichtungen, die von Sanktionen betroffen sind, ausdrücklich ausschließen. Es dürfen demnach keine Ansprüche, die im Zusammenhang mit Verträgen oder Geschäften stehen, deren Erfüllung oder Durchführung unmittelbar oder mittelbar, ganz oder teilweise von den jeweiligen Sanktionen betroffen ist – einschließlich Schadensersatzansprüchen und ähnlicher Forderungen –, erfüllt werden. Diese Regelung führt, ebenso wie Force-Majeure-Klauseln, zu einem Ausschluss der Lieferverpflichtung.
Problematisch in diesem Zusammenhang sind jedoch Fälle, in denen ein Vertrag dem Recht eines Landes außerhalb der Europäischen Union unterliegt – oder noch komplexer – dem Recht des Landes, gegenüber dem die Sanktionen erlassen wurden. In einem solchen Fall dürfte sich zumindest die sanktionierte Partei nicht an die europäischen Regelungen gebunden fühlen. In der Praxis führt dies häufig zu schwierigen Fallgestaltungen, denen nur durch eine vorausschauende Vertragsgestaltung zielführend begegnet werden kann.
Wurde in einem Liefervertrag die Anwendung deutschen Rechts vereinbart, können neben den europäischen Regelungen zusätzlich die gesetzlichen Bestimmungen zur Unmöglichkeit gemäß § 275 Absatz 1 BGB herangezogen werden, unter Berücksichtigung der bereits genannten spezialgesetzlichen europäischen Vorgaben. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die Unmöglichkeit nach § 275 Absatz 1 BGB automatisch eintritt, ohne dass es eines weiteren Zutuns oder einer gesonderten Erklärung seitens der Vertragsparteien bedarf. Der Leistende wird somit im Moment des Erlasses der Sanktion von seiner Leistungspflicht gegenüber seinem Vertragspartner befreit.
Schließlich könnte auch die Anwendung der Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Absatz 1 BGB in Betracht gezogen werden. Der Anwendungsbereich dürfte jedoch in Zusammenhang mit Sanktionen äußerst begrenzt sein. Eine Vertragsanpassung bezüglich des Vertragsinhalts ist in der Regel nur selten sinnvoll. Dabei ergeben sich dieselben Unsicherheiten wie zuvor im Zusammenhang mit Hardship-Klauseln. Die Vertragsparteien müssen unbedingt sicherstellen, dass eine mögliche Vertragsanpassung nicht als Umgehung der Sanktionsbestimmungen zu werten ist.
Die Ausführungen verdeutlichen, dass insbesondere der Umgang mit Sanktionen und Embargos im Zusammenhang mit Lieferbeziehungen eine hohe Komplexität aufweist. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass ihre Lieferverträge gut durchdachte Regelungen enthalten, um Risiken zu minimieren und ihre unternehmerischen Interessen bestmöglich zu schützen. Ebenso ist es entscheidend, die Regelungen zu Sanktionen genau zu verstehen und korrekt anzuwenden, um nicht nur rechtliche Fallstricke zu vermeiden, sondern auch Bußgelder und Strafen vorzubeugen.
In diesem Zusammenhang kann es für Unternehmen auch sinnvoll sein, sich mit den Auswirkungen von Strafzöllen auf Lieferverträge auseinanderzusetzen. Auf die Folgen und den vertraglichen Umgang mit Strafzöllen wird ausführlich in Teil I unserer Ausführungen eingegangen.
Im I. Teil gehen wir darauf ein, wer in Lieferbeziehungen die wirtschaftlichen Kosten etwaiger Strafzölle trägt und wie man diesen am besten begegnen kann.