Bereits im März 2020 war mit dem WStFG der WSF geschaffen worden, den die EU-Kommission Anfang Juli 2020 genehmigt hatte. Nach längerer politischer Abstimmung haben das BMF und das BMWi nunmehr (endlich) die konkretisierenden Verordnungen erlassen. Wir erläutern die wesentlichen Inhalte.
Am 2. Oktober 2020 sind drei Rechtsverordnungen zu dem durch das Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz – WStFG vom 27. März 2020 geschaffenen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in Kraft getreten.
In Ausfüllung der entsprechenden Verordnungsermächtigungen konkretisieren die vom Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erlassenen Verordnungen die Regelungen des WStFG.
Regelungsgegenstände sind insbesondere ausführende Bestimmungen zur Verwaltung des WSF, zu den Instrumentarien zur Stabilisierung der Wirtschaft und mit diesen verbundenen Auflagen und Bedingungen sowie schließlich zu Zuständigkeiten und zu Kosten.
Die Verordnungen tragen zu einer Steigerung der Rechtssicherheit im Umgang mit dem WSF bei, lassen allerdings auch einige Fragen offen.
Konkretisiert werden die Verwaltung des WSF, die Voraussetzungen für die Übernahme von Gewährleistungen und Garantien durch den WSF sowie angemessene Gegenleistungen hierfür, die Bedingungen für verschiedene Rekapitalisierungsinstrumente sowie die Auflagen und Bedingungen bei Stabilisierungsmaßnahmen.
Die Rechtsverordnung enthält Bestimmungen zur Organisation rund um die Antragsbearbeitung, die Entscheidungsorgane und das Zusammenwirkungen der beteiligten Behörden.
Konkretisiert wird die Verteilung der für die durchführenden Organisationen entstehenden Kosten.
Die Rechtsverordnungen sollen zunächst Klarheit darüber schaffen, welche Aufgaben wem zufallen und an wen sich interessierte Unternehmen wenden müssen.
Antragsstellung
Anträge auf Maßnahmen nach dem Stabilisierungsfondsgesetz sind bei dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) einzureichen. Anträge, die durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu prüfen sind, werden der KfW unmittelbar durch das BMWi zugeleitet.
Es wird eine Arbeitsplattform eingerichtet, auf der alle Anträge und alle vom Antragsteller übermittelten Dokumente unverzüglich eingestellt werden und aus der der jeweilige Bearbeitungsstand ersichtlich ist. Zugriff auf diese Plattform erhalten das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das Bundeskanzleramt und die Finanzagentur. Die KfW erhält nur im Hinblick auf die ihr zugewiesenen Anträge Zugriff auf die Plattform.
Das BMWi kann eine Antragstellung über die KfW auf Maßnahmen nach § 21 des Stabilisierungsfondsgesetzes, d.h. Garantien, zulassen, wenn die beantragte Garantiesumme unter EUR 500 Millionen liegt.
Soweit die Anträge nicht von der KfW bearbeitet werden, nimmt das BMWi die Prüfung der Anträge vor und erstellt die Entscheidungsvoten sowie die Vorbereitung für den WSF-Ausschuss. Das BMWi kann zur Erfüllung dieser Aufgaben Dritte mandatieren.
Entscheidung über Anträge
Je nach Umfang der beantragten Stabilisierungsmaßnahme entscheidet über den jeweiligen Antrag entweder
Der WSF-Ausschuss ist auch für die Entscheidung zuständig für alle Anträge von Unternehmen, die die grundsätzlichen Anforderungen für eine Unterstützung nicht erfüllen (Bilanzsumme > EUR 43 Millionen, Umsatzerlöse > EUR 50 Millionen und > 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt), deren Unterstützung aber in Betracht kommt, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, das in einem im § 55 Außenwirtschaftsverordnung genannten Sektor tätig ist (Unternehmen der kritischen Infrastruktur) oder sonst von vergleichbarer Bedeutung für die Sicherheit oder die Wirtschaft sind.
Das BMWi und das BMF können Entscheidungen an sich ziehen.
Soweit Grundsatzfragen, Angelegenheiten von besonderer Bedeutung oder Entscheidungen über wesentliche Maßnahmen und Auflagen betroffen sind, kann sich der WSF-Ausschuss die Entscheidung vorbehalten.
Bevor die KfW entscheidet, hat sie dem BMF sowie dem BMWi Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu geben. Generell informiert die KfW das BMF und das BMWi sowie die Finanzagentur über Anträge auf Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen nach § 21 des Stabilisierungsfondsgesetzes, beabsichtigte oder getroffene Entscheidungen oder über sonstige Sachverhalte oder Tätigkeiten der KfW im Rahmen des Stabilisierungsfondsgesetzes. Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben ist die KfW auch an die Weisungen oder Entscheidungen des BMF gebunden, die im Einvernehmen mit dem BMWi zu ergehen haben, sowie an die Beschlüsse des WSF-Ausschusses. Das BMWi hat die Entscheidungen über die Anträge umfänglich vorzubereiten und diese dem jeweiligen Entscheidungsorgan zusammen mit einem entscheidungsreifen Vorschlag vorzulegen.
Finanzagentur als Vertragspartner
Die Verwaltung des WSF liegt bei der Finanzagentur GmbH („Finanzagentur“).
Die Finanzagentur ist befugt, zur Umsetzung bewilligter Maßnahmen im Namen des WSF Verträge mit Unternehmen abzuschließen, wobei diese Verträge so zu gestalten sind, dass die aus dem Fonds gewährten Leistungen abgesichert sind und die Einhaltung von mit der Gewährung dieser Leistungen verbundenen Auflagen gewährleistet ist.
Die Finanzagentur kann sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen.
Die Finanzagentur stellt innerhalb der ersten sechs Monate nach Abschluss eines Geschäftsjahres für den WSF einen Jahresabschluss und einen Lagebericht nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften auf. Der Jahresabschluss und der Lagebericht sind vom Abschlussprüfer der Finanzagentur zu prüfen.
Die Finanzagentur kann das Recht, für den WSF die zur Umsetzung bewilligter Stabilisierungsmaßnahmen erforderlichen Verträge mit den antragstellenden Unternehmen abzuschließen, teilweise auf die KfW übertragen, jedoch nur soweit die Entscheidung über diese Maßnahmen bei der KfW liegt.
Kreditanstalt für Wiederaufbau
Grundsätzlich nimmt die KfW die Führung der im Rahmen von Stabilisierungsmaßnahmen erworbenen Beteiligungen und die Verwahrung und Verwaltung der anderen im Rahmen von Rekapitalisierungsmaßnahmen übernommenen Instrumente wahr, wobei das BMF jedoch bestimmt, in welchen Fällen die KfW diese Aufgaben im Einzelnen wahrnimmt und in welchen Fällen die Aufgabenerledigung beim Ministerium verbleibt.
Wie auch die Finanzagentur kann sich die KfW mit Zustimmung und nach Maßgabe näherer Weisungen des BMF bei der Erfüllung ihrer Aufgaben geeigneter Dritter bedienen.
Kern der Durchführungsverordnung ist die Konkretisierung der Voraussetzungen, des Umfangs und der Bedingungen von Stabilisierungsmaßnahmen, also Garantien und sonstiger Gewährleistungen sowie Rekapitalisierungsmaßnahmen, und sonstiger möglicher Leistungen aus dem WSF.
Umfang der Garantieübernahme
Um Liquiditätsengpässe eines Unternehmens in der Krise infolge der COVID-19-Pandemie zu beheben oder dessen Refinanzierung am Kapitalmarkt zu unterstützen, können in jeder geeigneten Form Garantien oder sonstige Gewährleistungen übernommen werden für:
1. nicht nachrangige Schuldtitel oder sonstige Verbindlichkeiten wie Bankkredite und Kreditlinien (im Sinne des Abschnitts 3.2 des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen) oder
2. sonstige Kreditformen wie zum Beispiel Avale, Akkreditive oder Derivate, einschließlich einer Einzelfallgenehmigung, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission.
Umfasst sind sowohl die jeweilige Hauptforderung als auch die Zinsen. Die Verbindlichkeiten, für die Garantien übernommen werden, müssen dabei mindestens EUR 5 Millionen Euro betragen. Zudem sollen Garantien nur für solche Verbindlichkeiten gewährt werden, für die über andere Programme keine oder jedenfalls keine ausreichende staatliche Absicherung erlangt werden kann.
Garantien mit einer Laufzeit über den 31. Dezember 2020 hinaus können nur gewährt werden bis zur Höhe der doppelten jährlichen Lohnsumme des begünstigten Unternehmens für das Jahr 2019 oder das letzte Jahr, für das Angaben zur Lohnsumme verfügbar sind.
Garantien mit einer Laufzeit über den 31. Dezember 2020 hinaus können unabhängig von der Lohnsumme auch gewährt werden bis zu einer Höhe von 25 Prozent des Gesamtumsatzes des begünstigten Unternehmens im Jahr 2019 in gegenüber der Europäischen Kommission angemessen begründeten Fällen, sofern die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt und dies gegenüber der Europäischen Kommission nachgewiesen wird.
Hervorzuheben ist, dass Ansprüche aus der Garantie erlöschen, wenn der Garantiebegünstigte seine Rechte nicht unverzüglich nach Eintritt des Garantiefalles geltend macht, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt des Garantiefalles.
Angemessene Gegenleistung
Die Garantie wird nicht ohne Weiteres gewährt; sie ist an eine „angemessene“ Gegenleistung in Form einer Vergütung geknüpft, die mit Inanspruchnahme der Garantie fällig wird. Die Ermittlung der Angemessenheit hat unter Anwendung marktüblicher Kriterien unter Berücksichtigung der Art des Produktes, wie zum Beispiel Schuldtitel, Bankkredit, Kreditlinie, Darlehen oder Aval, dem Rang der Forderung, des Ausfallrisikos und der Höhe der Absicherung durch die Garantie zu erfolgen. Bestimmte durch den Verordnungseber vorgegebene Mindestprämien sind zu berücksichtigen; diese ergeben sich aus Prozentsätzen der Garantiesumme pro Jahr und variieren in Abhängigkeit von der Art des Unternehmens (KMU bzw. Großunternehmen) und der Laufzeit (bis zu einem Jahr bzw. ab dem 2. Jahr der Laufzeit bzw. ab dem 4. Jahr der Laufzeit) von 0,25 Prozent bis 2,0 Prozent.
Erfolgt eine Absicherung aus Mitteln des Stabilisierungsfonds (dies vorbehaltlich der Genehmigung der Europäischen Kommission) in Höhe von mehr als 90 %, wird ein besonderer marktgerechter Aufschlag auf die Vergütung fällig.
Bedingungen für die Rekapitalisierung
Die Rekapitalisierung soll die Kreditfähigkeit wiederherstellen, wenn bei krisenbedingtem Verlust von Eigenkapital die Zufuhr von Nachrangkapital oder Eigenkapital erforderlich ist. Sie kann mit Garantien aus dem WSF kombiniert werden.
Die näheren Bedingungen der Rekapitalisierung sollen je nach Einzelfall festgelegt werden. Entscheidend ist dabei die Art der Beteiligung.
Eine Rekapitalisierung darf nur aus Gründen des Allgemeinwohls erfolgen, d.h. eine Gefährdung des Bestands des betroffenen Unternehmens muss erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, die Versorgungssicherheit, auf kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt haben.
Eine Rekapitalisierungsmaßnahme darf nur gewährt werden, wenn das Unternehmen zum 31. Dezember 2019 nicht die EU-Definition von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ erfüllt hat und für das Unternehmen unter Berücksichtigung der Stabilisierungsmaßnahmen eine positive wirtschaftliche Fortführungsprognose vorliegt.
Die Rekapitalisierung soll eine auf absehbare Zeit angemessene Kapitalausstattung zum Ziel haben. Angemessen ist, was für die nachhaltige Sicherstellung der Kreditwürdigkeit erforderlich ist. Dabei soll vermieden werden, dass die Stabilisierungsmaßnahmen unmittelbar dazu führen, dass die Kapitalausstattung des Unternehmens voraussichtlich nicht nur kurzfristig deutlich besser ist als im Vorfeld der COVID-19-Krise. Der WSF soll im Einzelfall darauf hinwirken, dass eine Rekapitalisierung gegebenenfalls nur nach der Berücksichtigung von möglichen Eigenleistungen der Anteilseigner des begünstigten Unternehmens erfolgt. Diese Eigenleistungen bleiben bei dem Vergleich der Kapitalausstattung vor der COVID-19-Krise und nach der Gewährung der Stabilisierungsmaßnahme außer Betracht.
Angemessene Gegenleistung
Auch bei Inanspruchnahme einer Rekapitalisierung ist eine angemessene Vergütung an den WSF zu leisten. Diese Vergütung geht den Gewinnbeteiligungsrechten der übrigen Gesellschafter des begünstigten Unternehmens vor und kann insbesondere in Form einer bevorzugten Gewinn- oder Zinszuweisung erfolgen.
Auch hier bemisst sich die Angemessenheit auf der Grundlage marktüblicher Kriterien. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere:
Hinsichtlich der konkreten Berechnung enthält die Verordnung nähere Angaben.
Für verzinsliche hybride Instrumente bestimmt sich die Mindestvergütung im Regelfall aus der Summe von Basiszins und bestimmter in der Verordnung aufgeführter Aufschläge. Basiszins ist der 1-Jahres-IBOR oder ein von der Europäischen Kommission veröffentlichter gleichwertiger Zinssatz.
Auch hier differenziert die Rechtsverordnung nach der Art des Empfängers (KMU bzw. Großunternehmen) und der Laufzeit des Instruments (1. Jahr, 2. und 3. Jahr, 4. und 5. Jahr, 6. und 7. Jahr, 8. Jahr und danach) bei einer Spanne von 2,25 Prozent bis 9,5 Prozent.
Für Nachrangdarlehen mit vom Gewinn unabhängigem Festzins, ohne Verlustbeteiligung und ohne Wandlungsrecht (Nachrangdarlehen) berechnet sich die Mindestvergütung nach anderen Grundsätzen.
Für Vorzugsbeteiligungen sind bestimmte Anforderungen an den Ausgabebetrag zu beachten. Dies gilt auch für Rekapitalisierungsinstrumente, die ein Recht zur Wandlung in Unternehmensbeteiligungen mit Stimmrechten vorsehen. Bei Vorzugsbeteiligungen kann auch eine nicht aufsteigende Vergütung oder eine niedrigere Vergütung als die sonst zu beachtende Mindestvergütung vereinbart werden, wenn bei der Bestimmung des Ausgabebetrags ein deutlicher Abschlag vom Marktwert vorgenommen wird.
Besondere Bestimmungen für Beteiligungen mit Vollstimmrecht
Die Verordnung sieht für Erwerb von Beteiligungen mit Vollstimmrecht die Erfüllung verschiedener Anforderungen vor, die gegebenenfalls vertraglich abzusichern sind. Hierzu gehören insbesondere:
Auflagen und Bedingungen für Stabilisierungsmaßnahmen nach dem Stabilisierungsfondsgesetz müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und haben sich insbesondere an der Art, der Höhe und der Dauer der in Anspruch genommenen Stabilisierungsmaßnahme sowie an der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens auszurichten. Die Auflagen sollen so gestaltet werden, dass sie Anreize für eine zügige Beendigung der Stabilisierungsmaßnahme setzen.
Bei Rekapitalisierungsmaßnahmen und im Wesentlichen bei Garantien mit einer Garantiesumme > EUR 100 Millionen gilt zusätzlich folgendes:
Rekapitalisierungsmaßnahmen sind spätestens nach Ablauf von sechs Jahren ab Gewährung und Garantien spätestens nach Ablauf von zehn Jahren ab Gewährung zu beenden.
Die Beendigung der Rekapitalisierungsmaßnahme hat durch Verkauf an einen Drittinvestor oder bisherigen Gesellschafter um Marktpreis und unter Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Diskriminierungsfreiheit zu erfolgen. Soweit es rechtlich zulässig und wirtschaftlich vertretbar ist, ist der Rückkauf durch das Unternehmen selbst als weitere Möglichkeit neben der Veräußerung am Markt zu prüfen.
Darüber hinaus können Stabilisierungsmaßnahmen nur fortgeführt werden, wenn ihre Beendigung unwirtschaftlich wäre, die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die technologische Souveränität in High-Tech-Bereichen oder die Fortführung des Unternehmens unmittelbar gefährden würde oder erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft hätte.
Der Antragsteller hat die für die Antragsbearbeitung entstandenen Kosten zu entrichten. Die Kostenerstattung ist in § 19 des Stabilisierungsfondsgesetzes geregelt und wird nun in der WSF-Kostenverordnung näher konkretisiert, insbesondere bezüglich Entstehung, Umfang und Fälligkeit, allerdings derzeit ohne genauere Indikationen zur letztendlichen Höhe.
Das BMWi oder das BMFkönnen diese Kosten durch Kostenbescheid festsetzen oder diese Kosten aufgrund einer Verpflichtungserklärung oder eines Vertrages erheben.