Der Data Act sorgt für neue und komplexe regulatorische Vorgaben. Er birgt aber auch Potenzial für die Monetarisierung und Vermarktung von Daten, was für die Weiter- und Neuentwicklung von Geschäftsmodellen genutzt werden kann.
Ein zentraler Baustein der Europäischen Datenstrategie ist die am 11. Januar 2024 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2023/2854 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2023 (nachfolgend „Data Act“). Ihre Regelungen sind gestaffelt ab dem 12. September 2025 bzw. dem 12. September 2026 EU-weit unmittelbar anwendbar.
2025 wird das weltweite Datenvolumen auf 175 Zettabyte geschätzt – das entspricht 175 Milliarden Gigabyte. Der Wert dieser Datenwirtschaft soll sich bis 2030 nach Schätzungen auf bis zu 11 Billionen Euro belaufen. Die Europäische Kommission verfolgt mit ihrer Datenstrategie das Ziel, einen Binnenmarkt für diese riesigen Datenmengen zu schaffen. Dies soll sowohl die globale Wettbewerbsfähigkeit als auch die Datensouveränität Europas sicherstellen. Zugleich sollen Chancen zur Datenmonetarisierung geschaffen werden.
Ein Großteil der in Frage stehenden Daten wird dabei durch digitale Produkte und Dienstleistungen generiert, bei denen die Regulierung des Data Act nunmehr ansetzt.
Wer ist vom Data Act betroffen?
Der Data Act betrifft alle Daten, die bei der Nutzung eines „vernetzten Produktes“ oder mit diesem Produkt „verbundenen Dienstes“ generiert werden - häufig wird bei derart vernetzten Produkten auch von „Internet-of-Things“ (IoT) gesprochen. Im Ergebnis geht es um solche Daten, die durch die Nutzung der Produkte erzeugt werden bzw. die so ohne den Nutzer erst gar nicht entstanden wären.
Der europäische Gesetzgeber hat sich nach umfassenden Debatten dazu entschlossen, eine (mehr oder weniger klare) Zweiteilung der Daten vorzunehmen. Zum einen wird ein erweiterter Kreis um die Produkt- und verbundenen Dienstdaten gezogen, wozu insbesondere auch Metadaten und Daten von Interaktionen mit virtuellen Assistenten gehören („In scope“). Zum anderen werden sog. „abgeleitete Daten“ bewusst ausgenommen („Out of scope“).
In scope: Erfasst sind als Produktdaten und verbundene Dienstdaten nur sog. Primärdaten, d.h. die Rohdaten, die tatsächlich durch die Nutzung des Produktes oder der Dienstleistung generiert werden. Zudem sind auch Daten erfasst, die in Interaktion mit virtuellen Assistenten generiert werden.
Daneben sind auch Metadaten relevant. Hierbei handelt es sich um strukturierte Beschreibungen der Inhalte oder Nutzung von Primärdaten. Sie sollen das Auffinden bzw. die Verwendung der Primärdaten erleichtern (z.B. Autor, Erstellungsdatum, Dateigröße, Dateiformat, Zugriffsrechte, Lizenzbedingungen, Kodierung, technische Anforderungen an den Datenzugriff, Erfassungsmethode, Datenquelle, Änderungshistorie etc.).
Out of scope: Nicht erfasst sind dagegen abgeleitete Daten oder Informationen. Solche Daten bzw. Informationen entstehen nicht bereits durch die bloße Nutzung des vernetzten Produkts bzw. der vernetzten Dienstleistung, sondern erfordern eine weitere Analyse, Verarbeitung (insb. mittels proprietärer Algorithmen) oder Transformation der Primärdaten und haben typischerweise eine weitergehende Aussagekraft als Primärdaten (z.B. statistische Daten, aggregierten Daten, Prognosen, Berichte). Teilweise wird auch von veredelten Daten gesprochen.
Das Datenschutzrecht bleibt „unberührt“ (etwa Erwägungsgründe 20 und 34 des Data Act). Die Regelungen des Datenschutzes (insb. die DSGVO) gelten demzufolge uneingeschränkt parallel zum Data Act. Neben den Verpflichtungen aus dem Data Act müssen daher für personenbezogene Daten stets auch die Anforderungen des Datenschutzes eingehalten werden. In der Praxis werden personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten häufig in Form von gemischten Datensets vorliegen, die dann insgesamt vom Data Act erfasst werden. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, Datenzugangsersuchen nach dem Data Act unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben zu erfüllen, um einem Bußgeldrisiko sowohl aus dem Data Act als auch der DSGVO zu entgehen.
Die große Neuerung oder „Revolution“ des Data Acts besteht darin, dass für die Datennutzung durch den Dateninhaber oder andere Datenempfänger ein Vertrag mit dem Nutzer erforderlich wird. In einer derartigen „Kontraktualisierung des Datenrechts“ ist die vertragliche Regelung mit dem Nutzer der zentrale Bezugspunkt.
Die sich daraus ergebenden Maßnahmen müssen umfassend aus den Perspektiven der jeweiligen Hauptakteure gedacht werden.
Im einfachsten Fall werden die Bedingungen des Datenflusses zwischen zwei Akteuren (Nutzer und Dateninhaber) geregelt. Häufiger wird zu diesen zwei Parteien noch ein dritter Datenempfänger hinzukommen. Schließlich sind auch mehrschichtige Konstellationen relevant, in denen Dateninhaber sowie mehrere Nutzer (bspw. bei mehreren Nutzerkonten) oder Datenempfänger sowie weitere Stellen (z.B. Datenaggregatoren – auch solche nach dem Data Governance Act) einbezogen werden. Insgesamt ergeben sich aus den technischen und rechtlichen Anforderungen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.
Für die jeweils vom Data Act erfassten Personengruppen, sind unterschiedliche Überlegungen und Leitfragen relevant, um sinnvolle Maßnahmen zu abzuleiten. Die Bedeutung des Data Acts für die relevanten Personengruppen ist nachstehend dargestellt.
Die Vertragsgestaltung ist zentrales Element für die Umsetzung der Anforderungen aus dem Data Act. Potenzielle Dateninhaber sollten bereits vor Geltungsbeginn des Data Acts Überlegungen zu Bedingungen, Modalitäten und Zwecken der Datenbereitstellung und -nutzung anstellen.
In Bezug auf die Vertragsgestaltung enthält der Data Act eine Vielzahl von Anforderungen und Einschränkungen. So hat die Datenbereitstellung durch den Dateninhaber an den Datenempfänger als Unternehmer (B2B) stets unter „fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen“ (sog. FRAND-Bedingungen) und in „transparenter Weise“ zu erfolgen. Eine Marge ist im Rahmen des Art. 9 Data Act erlaubt. Ferner unterliegen vertragliche Regelungen einer (gespaltenen2) AGB-Kontrolle nach Art. 13 Data Act. Zudem können Anforderungen an den Geschäftsgeheimnisschutz aufgenommen werden. Ein Bestandteil hiervon ist die Bereithaltung verschiedener Vertragsmuster, die nach einem vordefinierten Schema verwendet werden. Von Vorteil ist die Einbettung in ein Contract Management System (CMS). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Vorgaben und Beschränkungen des Data Act nur dann unmittelbar gelten, wenn Verträge über „In scope“ Daten geschlossen werden; nicht hingegen bei Verträgen über „out of scope“ Daten.
Die Kommission hat bereits erste Entwürfe von Mustervertragsklauseln veröffentlicht (Art. 41 Data Act). Diese sollten bei der Gestaltung und Umsetzung der Data Act-Vorgaben bereits berücksichtigt werden, auch wenn die Kommissionsmuster erst „vor dem 12. September 2025“ final vorliegen werden.
Der Data Act hat das Potential die Datenwirtschaft nachhaltig zu verändern. Nachdruck verleiht dem Data Act auch, dass seine Nicht-Einhaltung zu Bußgeldern von bis zu 20 Millionen Euro bzw. vier Prozent des Konzernumsatzes führen kann. Unternehmen sind daher gut beraten sich frühzeitig sowohl mit den für sie geltenden Anforderungen als auch möglichen Chancen vertraut zu machen und sich auf das schrittweise Inkrafttreten vorzubereiten.
Wir unterstützen Sie gern auf Ihrer gesamten EU Data Act Journey, von Compliance über Preis- und Monetarisierungsstrategien bis hin zur Serviceabwicklung sowie dem Fulfillment von Data Sharing Requests. Wir greifen dabei auf bewährte Akzeleratoren wie z.B. unser EU Data Act Compliance Framework (für Maturity Assessments und Maßnahmenplanung) sowie ein breites Netzwerk an regulatorischen, technischen und strategischen Experten zurück.
Sprechen Sie uns gerne an.
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1 Für Kleinst- und Kleinunternehmen gibt es Ausnahmen von diesen Verpflichtungen (vgl. Art. 7 Data Act). Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeitende und einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsummer von höchstens EUR 2 Mio. haben. Kleinunternehmen sind Unternehmen, die weniger als 50 Mitarbeitende und einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsummer von höchstens EUR 10 Mio. haben (Empfehlung der Europäischen Kommission (2003/361/EG).
2 Die AGB-Kontrolle nach Art. 13 des Data Act beschränkt sich auf Vorgaben des Data Act, sodass in nicht-geregelten Bereich die nationale AGB-Kontrolle zusätzlich Anwendung findet (gespaltene AGB-Kontrolle).