Erfolgreiche Rechtsabteilungen wissen um den Wert des direkten und menschlichen Kontakts zu ihren internen Kunden und die Bedeutung des Leitbilds vom inhouse Juristen als „trusted advisor“ ist ungebrochen. Entsprechend verbreitet ist oft die Zurückhaltung, Anfragen an die Rechtsabteilung über Portalseiten und Ticketsysteme zu kanalisieren. In Unternehmensbereichen wie IT oder HR werden Ticketsysteme schon lange zur Steigerung von Prozesseffizienz und -transparenz eingesetzt – kommt jetzt auch das „Legal-Ticket“?
Als „Legal Front Door” wird eine digitale Plattform bezeichnet, die es den Mitarbeitern eines Unternehmens ermöglicht, eine Anfrage an die eigene Rechtsabteilung (neudeutsch: Legal Service Request, LSR) zu stellen. Bei Stellen der Anfrage werden bestimmte Angaben und ggf. Dokumente abgefragt, um die Anfrage kategorisieren und der passenden Bearbeitung durch die Rechtsabteilung zuführen zu können. Der Mitarbeiter kann im weiteren Verlauf typischerweise den Bearbeitungsstatus seiner Anfrage einsehen und häufig auch die weitere Kommunikation mit der Rechtsabteilung zu der Anfrage über die Plattform ablaufen lassen.
Die Legal Front Door kann ferner Verweise auf self-service-Angebote der Rechtsabteilung enthalten. Zu nennen sind hier, neben den klassischen Frequently Asked Questions oder Dokumentenbibliotheken, insbesondere die automatisierte Erstellung von Standarddokumenten (Stichwort: NDA-Generator) und automatisierte Informationssysteme in Form von Chatbots oder Wizards.
In Teil 1 dieses Beitrags haben wir die zahlreichen Vorteile einer Legal Front Door erläutert. In diesem Teil 2 zeigen wir auf, welche Dimensionen für die erfolgreiche Einführung einer Legal Front Door in Ihrem Unternehmen zu berücksichtigen sind.
Um eine Legal Front Door erfolgreich im Unternehmen zu etablieren, ist es sehr hilfreich, die Einführung nicht als reines Technik-Projekt zu sehen, sondern aus dem Blickwinkel der Dimensionen „People – Process – Technology – Content – Governance“ zu betrachten und entsprechend zu planen. Die Implementierung einer Legal Front Door ist ein Projekt für sich, aber typischerweise auch ein Baustein der allgemeinen Digitalisierungs- und Legal Operations-Strategie der Rechtsabteilung.
People
Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg der Legal Front Door sind ihre Akzeptanz und tatsächliche Nutzung durch die internen Kunden und die Inhouse-Anwälte. Für viele Mitarbeiter wird der Umstieg vom Anruf oder der E-Mail hin zum Einstellen eines Legal Service Requests auf der Portalseite der Legal Front Door zunächst ungewohnt sein. Eine interne Kommunikationsstrategie und User Trainings sind unerlässlich, um die Vorteile der Legal Front Door zu vermitteln und den Nutzern Sicherheit bei der Bedienung der Plattform zu geben. Die Themen Kommunikation und Training enden weder mit dem Abschluss des technischen Roll-Out noch mit dem Auslaufen der initialen Hypercare-Phase: Erstens sollten kleinere und größere Verbesserungen der Legal Front Door während ihrer gesamten Lebensdauer kommuniziert werden, und zweitens kommen stets neue Mitarbeiter ins Unternehmen, die mit der Plattform vertraut gemacht werden müssen.
Eine schrittweise Einführung bzw. die Vorschaltung von Test- oder Pilotphasen kann sinnvoll sein, um Kinderkrankheiten im kleinen Kreis zu erkennen und aufzufangen, bevor unternehmensweit ausgerollt wird.
Process
Durch die Einführung der Legal Front Door werden sich in aller Regel bestimmte Arbeitsabläufe ändern müssen – schon aus „technischen Gründen". Es empfiehlt sich, im Vorfeld der Einführung die wichtigsten Abläufe abstrakt zu durchdenken, bestenfalls sogar zu visualisieren (Formsprachen wie Business Process Model & Notation, BPMN, können hier gute Dienste leisten). Im Ergebnis geht es darum, sinnvolle und in der Beratungsrealität handhabbare Prozesse zu definieren, die dann technisch im Tool gelöst werden können. Einer der wichtigsten Prozesse in diesem Kontext ist die Aufgabenverteilung innerhalb der Rechtsabteilung. Weitere Prozesse, die Aufmerksamkeit verdienen, sind etwa
Situationen, in denen Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder länger ausfallen und deren Arbeit daher umverteilt werden muss,
Technology
Die Auswahl der passenden Softwarelösung sollte erst erfolgen, wenn die funktionalen Anforderungen des Unternehmens wenigstens grob umrissen sind: Soll die Legal Front Door lediglich zur Erfassung von Anfragen genutzt werden oder z.B. auch anspruchsvollere Selbstbedienungselemente oder eine automatisierte Aufgabenverteilung innerhalb der Rechtsabteilung ermöglichen? Mit welchen bereits bestehenden Systemen (Legal Matter Management, Legal Spend Management, Vertragsverwaltung, etc.) müssen Verbindungen hergestellt werden, um einen reibungslosen Datenaustausch zu ermöglichen?
Neben der Recherche der am Markt erhältlichen Lösungen sollte auch die gegenwärtige Systemlandschaft des eigenen Unternehmens betrachtet werden. Wo im Unternehmen werden vergleichbare Portalseiten oder Ticketsysteme bereits erfolgreich eingesetzt? Kann die lokale IT aus verfügbarer Standardsoftware bereits eine hinreichende Lösung bereitstellen? Bei der Evaluierung von am Markt erhältlichen Lösungen sollte neben dem Vorhandensein der gewünschten Funktionalität auch ermittelt werden, ob die Lösung (auch) auf den Einsatz in der Rechtsabteilung ausgerichtet ist und ob der Anbieter konkrete Kunden benennen kann, die mit ihm eine Legal Front Door bereits umgesetzt haben.
Content
Die Legal Front Door steht in vielfältigen Beziehungen zum Thema „Inhalte”:
Governance
Aus dem Blickwinkel der Dimension Governance sollte berücksichtigt werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen, aber auch welche unternehmensinternen Richtlinien oder Entscheidungs- / Überwachungsorgane bei der Planung und Einführung einer Legal Front Door zu berücksichtigen sind. Da über die Portalseite sensible, und ggf. auch personenbezogene, Daten erhoben werden können, sind insbesondere Aspekte des Datenschutzes wichtig. Außerdem kann eine frühzeitige Involvierung des Betriebsrats empfehlenswert sein, da besonders im KPI-Tracking ggf. sehr granulare Daten zu den Usern erhoben werden.
Autoren: Klaus Gresbrand und Sophia Schick