Arbeitgeber mit dem Hauptsitz außerhalb Deutschlands setzen in Deutschland in zahlreichen Bereichen, wie Vertrieb, lokalem technischen Support und IT, Mitarbeitende ein, die vielfach mangels eigener inländischer Räumlichkeiten beispielsweise im Homeoffice arbeiten. Maßgebliches Gesetz hinsichtlich des Kündigungsschutzes dieser Mitarbeitenden ist – sofern das Arbeitsverhältnis deutschem Recht unterliegt – das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG (und unabhängig von Regelungen zum besonderen Kündigungsschutz) genießen Arbeitnehmer*innen hingegen grundsätzlich keinen durchgreifenden Kündigungsschutz. Nach § 23 Abs. 1 KSchG gilt dieser Kündigungsschutz grundsätzlich nur in Betrieben, in denen regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer*innen in Vollzeit beschäftigt sind, wobei Teilzeitkräfte anteilig berücksichtigt werden. Dabei müssen die gesetzlichen Voraussetzungen in Deutschland erfüllt sein, weshalb es beispielsweise auf die Anzahl der im Ausland beschäftigten Mitarbeitenden nicht ankommt.
In der Praxis wird dabei oft übersehen, dass das Bestehen eines „Betriebs“ im Sinne des KSchG von einer Vielzahl von Kriterien abhängt, die kumulativ erfüllt sein müssen. Im Ergebnis kann die Bewertung des Einzelfalls dazu führen, dass das KSchG trotz dutzender Arbeitnehmer eines ausländischen Arbeitgebers in Deutschland keine Anwendung findet oder aber bereits ab dem elften Arbeitnehmer trotz fehlender unternehmenseigener Räumlichkeiten in Deutschland anwendbar ist.
Der Betriebsbegriff knüpft an eine organisatorische Einheit in Deutschland an, die einen einheitlichen Einsatz von Betriebsmitteln und Personalressourcen vollzieht und über einen Leitungsapparat verfügt, der wesentliche Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten selbstständig trifft. Maßgeblich ist dabei insbesondere, ob der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten in Deutschland ausgeübt wird – also ob schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen sowie über wesentliche Personalentscheidungen, wie Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen, in Deutschland entschieden wird. Fehlt es in Deutschland an der Verortung einer entsprechenden Leitung, liegt kein regelmäßiger Betrieb im Sinne des § 23 KSchG vor. Damit können bereits bei der Begründung der ersten Arbeitsverhältnisse, aber auch zu einem späteren Zeitpunkt, die Weichen für die Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit des KSchG gestellt werden.
Unsere Erfahrung zeigt dabei, dass ein in Deutschland ausgeübtes fachliches Weisungsrecht nur einen sehr geringen Einfluss auf die Gesamtbewertung der Situation hat. Somit können selbst Teams, die numerisch den Schwellenwert von zehn Mitarbeitenden übersteigen, unter fachlicher Leitung eines in Deutschland ansässigen Teamleiters außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG agieren. Umgekehrt gilt es, bei einem solchen Modell der grenzüberschreitenden Beschäftigung aber auch Grenzen zu beachten, da Gerichte derartige Konstrukte auf Missbrauch prüfen.
Gerade bei grenzüberschreitenden Strukturen ist daher eine sorgfältige Prüfung der organisatorischen Ausgestaltung entscheidend, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Bereits kleine Eingriffe in Berichtslinien und disziplinarische Verantwortlichkeiten können sich dabei erheblich auf Kündigungsschutz und Abfindungen im Rahmen eines grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnisses in Deutschland auswirken.
Unser Team verfügt über umfassende Expertise in der arbeitsrechtlichen Beratung international tätiger Unternehmen und unterstützt Sie gerne bei der rechtssicheren Gestaltung Ihrer Beschäftigungsmodelle.