Die Digitalsierungsrichtline II enthält weitreichende Updates für das europäischen Gesellschaftsrecht. Sie vereinfacht die internationalen Geschäftsaktivitäten von Unternehmen durch die Reduzierung bürokratischer Hürden und fördert die weitere Vernetzung der Register und Mitgliedstaaten durch die Standardisierung verschiedener Prozesse. Dies wird bei richtiger Umsetzung zu niedrigeren Transaktionskosten und einer schnelleren Abwicklung gesellschaftsrechtlicher Verfahren im EU-Binnenmarkt führen, während gleichzeitig Maßnahmen zur Verhinderung illegaler Aktivitäten wie Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder Umgehung von Sanktionen verstärkt werden.
1. Einleitung: Die Digitalisierung verändert das Gesellschaftsrecht
Die fortschreitende Digitalisierung verlangt auch im Gesellschaftsrecht eine Neuausrichtung und Vereinheitlichung der Registerführung in Europa.
Mit der Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2009/102/EG und (EU) 2017/1132 zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (Digitalisierungsrichtlinie II – DigiRL II) setzt die Europäische Union (EU) einen weiteren bedeutenden Schritt in Richtung einer umfassenden Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts.
Die DigiRL II wurde am 10. Januar 2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und trat am 30. Januar 2025 in Kraft.
Was sind die wesentlichen Neuerungen der DigiRL II und die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen?
2. Hintergrund und Zielsetzung: Ein langer Weg zur Digitalisierung
Die Bestrebungen der Europäischen Union, die Unternehmensregister der Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen, reichen bis in die 1960er Jahre zurück.
Mit der Publizitätsrichtlinie von 1968 wurden erste Schritte zur Standardisierung von Unternehmensdaten unternommen. Der weitere Ausbau folgte 2003 mit der Einführung der Pflicht zur elektronischen Registerführung und dem Business Register Interconnection System (BRIS), das auf eine stärkere Vernetzung der nationalen Register abzielte. Die Digitalisierungsrichtlinie I (2017) legte den Grundstein für eine vernetzte und transparente Darstellung von Unternehmensinformationen auf europäischer Ebene.
Nun wird mit der DigiRL II ein weiterer bedeutender Schritt in Richtung einer europaweiten Verlässlichkeit und Verfügbarkeit von Unternehmensdaten unternommen, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft und die Transparenz von Transaktionen zu erhöhen.
3. Die wesentlichen Neuerungen der DigiRL II
a) Präventivkontrolle auf Basis harmonisierter Mindeststandards
Die DigiRL II erweitert die präventive Kontrolle von Unternehmensregistereinträgen erheblich.
Bislang gab es lediglich rudimentäre Mindeststandards, die den Mitgliedstaaten die Wahl ließen, ob sie eine vorbeugende Verwaltungs- oder gerichtliche Kontrolle oder eine öffentliche Beurkundung der Errichtungsakte von Gesellschaften und deren Satzung vorsehen wollten. Das Verfahren und die Intensität der Prüfung wurden jedoch nicht geregelt.
Die DigiRL II führt nun verbindliche Mindeststandards für die rechtliche Prüfung von Gründungen und Änderungen von Gesellschaften ein, sowohl für Online- als auch für Offline-Verfahren. In der Vergangenheit variierten die Prüfstandards in den Mitgliedstaaten, was dazu führte, dass Registerdaten aus einem Mitgliedstaat in anderen oft nicht anerkannt oder nur unter großen Einschränkungen genutzt werden konnten.
In Zukunft müssen alle Gründungen und Anmeldungen von Kapital- und Personenhandelsgesellschaften auf ihre rechtliche Zulässigkeit geprüft werden. Diese Prüfung umfasst sowohl formale Anforderungen wie die korrekte Nutzung von Mustern als auch materielle rechtliche Anforderungen wie die Rechtmäßigkeit des Gesellschaftszwecks und den Namen der Gesellschaft. Auch Änderungen an Satzungen oder Gründungsakten einer Gesellschaft müssen in Zukunft einer umfassenden rechtlichen Prüfung unterzogen werden, um sicherzustellen, dass diese auch rechtmäßig sind.
Darüber hinaus verlangt die DigiRL II, dass Unternehmen ihre Registerdaten regelmäßig und zügig aktualisieren, um sicherzustellen, dass die Informationen stets auf dem neuesten Stand sind. Die Mitgliedstaaten müssen gewährleisten, dass Änderungen innerhalb von 15 Arbeitstagen nach ihrer Entstehung im Register gemeldet werden. Zudem wird die allgemeine Eintragungsfrist von 21 Tagen auf 10 Arbeitstage verkürzt, um den Prozess der Aktualisierung zu beschleunigen. Diese Maßnahmen fördern nicht nur die Effizienz der Verwaltungsprozesse, sondern gewährleisten auch, dass alle relevanten Akteure auf die aktuellen und verlässlichsten Informationen zugreifen können.
Ein spezielles Verfahren zur Beseitigung unrichtiger oder veralteter Eintragungen soll ebenfalls eingeführt werden, um sogenannte „Registerleichen“ (also nicht mehr relevante oder fehlerhafte Eintragungen) zu verhindern.
Deutschland erfüllt diese Voraussetzungen größtenteils bereits. Lediglich die Einführung der Anmeldefrist sowie die Verkürzung der Eintragungs- und Offenlegungsfrist bedürfen noch einer Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber.
b) Erweiterung auf Personenhandelsgesellschaften
Eine besonders hervorzuhebende Neuerung der DigiRL II ist die Aufnahme von Personenhandelsgesellschaften wie der OHG in den Anwendungsbereich der digitalen Registerführung.
Diese Gesellschaftsformen waren bisher weitgehend von den umfassenden Regulierungen der Digitalisierungsrichtlinie I ausgenommen. Nun müssen auch Personenhandelsgesellschaften bestimmte Informationen wie die Haftung der Gesellschafter und deren Umfang in den nationalen Registern offenlegen. Diese erweiterten Offenlegungsanforderungen schaffen eine größere Transparenz und gleiche Wettbewerbsbedingungen, da sie sicherstellen, dass auch Gesellschaftsformen wie OHG und KG der öffentlichen Kontrolle unterliegen.
Da die DigiRL II eine Öffnungsklausel zugunsten des nationalen Rechts enthält, nach der nur solche Gründungsdokumente der Präventivkontrolle unterliegen sollen, die nach nationalen Recht beim Handeslregister einzureichen sind (was bei der OHG und KG nicht der Fall ist), bleibt die Kontrolle eine eingeschränkte.
c) Das Once-Only-Prinzip
Das Once-Only-Prinzip ist ein bedeutender Fortschritt in Bezug auf die Digitalisierung des europäischen Unternehmensrechts.
Dieses Prinzip erspart es Unternehmen, Informationen, die bereits einmal in einem nationalen Register erfasst wurden, nicht erneut vorlegen zu müssen, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden. In Zukunft darf das Register im Zielstaat keine Dokumente oder Informationen verlangen, die über das Register des Heimatmitgliedstaates verfügbar sind. Vielmehr muss das Register diese Informationen selbst über das Business Registers Interconnection System (BRIS) oder beim zuständigen Register besorgen.
Dies reduziert den administrativen Aufwand für Unternehmen erheblich, da Unternehmen nicht mehr mehrfach Dokumente wie etwa Gründungsurkunden, Satzungen oder Registerauszüge einreichen müssen, wenn sie grenzüberschreitend tätig sind. Die Informationen können einmal im Heimatland registriert und dann über das vernetzte System an andere Länder weitergegeben werden. Dies vereinfacht künftig nicht nur die Unternehmensgründung, sondern auch die Durchführung von Umwandlungen oder Fusionen in verschiedenen EU-Staaten.
d) EU-Gesellschaftsbescheinigung (EUCC)
Die Einführung der EU-Gesellschaftsbescheinigung (EUCC) ist eine weitere wichtige Neuerungen der DigiRL II.
Diese Bescheinigung fungiert als standardisiertes Dokument, das grundlegende Informationen über ein Unternehmen und seine Vertreter enthält und als einheitlicher Nachweis für Unternehmenserklärungen in allen Mitgliedstaaten dient. Die EUCC enthält Informationen wie die Firma und Rechtsform des Unternehmens, die Eintragungsnummer und den Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen registriert ist, den Sitz und die Kontaktadresse des Unternehmens sowie die Organe des Unternehmens, einschließlich der Vertreter und ihrer Befugnisse.
Die EUCC wird sowohl in Papierform als auch digital bereitgestellt und ist in allen EU-Amtssprachen erhältlich. Unternehmen haben Anspruch darauf, diese Bescheinigung mindestens einmal monatlich kostenlos zu erhalten, was den administrativen Aufwand bei internationalen Transaktionen oder grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit erheblich reduzieren wird. Durch die Einführung der EUCC wird auch die grenzüberschreitende Anerkennung von Unternehmensinformationen erleichtert. Die Bescheinigung dient regelmäßig als ausreichender Nachweis für die im nationalen Register gespeicherten Daten und ist in allen EU-Staaten verbindlich.
e) Digitale EU-Vollmacht
Neben der EU-Gesellschaftsbescheinigung führt die DigiRL II die digitale EU-Vollmacht ein, die eine effiziente und standardisierte Form der Vollmachterteilung für bestimmte Unternehmensvorgänge darstellt.
Die digitale EU-Vollmacht kann für die Gründung von Gesellschaften, die Eintragung von Zweigniederlassungen sowie für grenzüberschreitende Umwandlungen verwendet werden. Die Vollmacht wird in digitaler Form ausgestellt und muss von den Mitgliedstaaten anerkannt werden.
Der Inhalt der Vollmacht muss den Umfang der Vertretung sowie die ermächtigte Person und deren spezifische Befugnisse klar definieren.
Durch die digitale EU-Vollmacht wird die rechtliche Vertretung von Unternehmen im grenzüberschreitenden Kontext in Zukunft erheblich vereinfacht. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser digitalen Vollmacht ist ihre Kompatibilität mit dem EU Digital Identity Wallet, wodurch Unternehmen die Vollmacht digital signieren und speichern können. Diese Entwicklung wird vor allem im internationalen Geschäftsumfeld von Vorteil sein, da sie bürokratische Hürden abbaut.
f) Vereinfachter Echtheitsnachweis für ausländische Dokumente
Die DigiRL II trägt erheblich zur Vereinfachung bürokratischer Prozesse bei, indem sie die Anforderungen an Übersetzungen und Beglaubigungen von Dokumenten verringert.
Ein entscheidender Schritt ist die Aufhebung der Pflicht zur Legalisierung und Apositillierung von Dokumente innerhalb der EU, insbesondere solcher, die von Registern bereitgestellt und beglaubigt wurden. Diese Befreiung umfasst zudem elektronische Kopien und Auszüge von Urkunden und Informationen, die über Vertrauensdienste gemäß der eIDAS-Verordnung authentifiziert wurden.
Papierdokumente müssen eine eindeutige Protokollnummer oder ein ähnliches Merkmal aufweisen, das die Überprüfung der Echtheit des Dokuments ermöglicht. Weiterhin sieht die Richtlinie eine „Bemühungspflicht“ vor, die den Verzicht auf Übersetzungen von Dokumenten ermöglicht, solange diese über das EUCC oder BRIS verfügbar sind. Übersetzungen dürfen nur noch verlangt werden, wenn sie unbedingt erforderlich sind, etwa wenn das Dokument vor Gericht verwendet wird oder einer Offenlegungspflicht unterliegt.
g) Verbindung von Registersystemen
Ein weiteres zentrales Element der DigiRL II wird die verbesserte Vernetzung von verschiedenen Registern wie das Business Registers Interconnection System (BRIS), das Register der wirtschaftlichen Eigentümer (BORIS) und das Insolvenzregister (IRI). Diese Vernetzung sorgt dafür, dass Unternehmen und Behörden zukünftig schneller und effizienter auf vollständige und präzise Unternehmensdaten zugreifen können.
4. Fazit
Die DigiRL II bringt sowohl klare Vorteile als auch bestimmte Herausforderungen mit sich.
Für Unternehmen bedeutet die Einführung dieser Richtlinie eine erhebliche Erleichterung bei grenzüberschreitenden Geschäften. Ein wesentlicher Vorteil liegt im Once-Only-Prinzip, das den bürokratischen Aufwand erheblich reduziert. Dies ermöglicht es Unternehmen, Informationen, die einmal in einem nationalen Register erfasst wurden, in anderen Mitgliedstaaten zu nutzen, ohne sie erneut einreichen zu müssen. Auch die Einführung der EU-Gesellschaftsbescheinigung trägt zur Effizienzsteigerung bei, da Unternehmen in Zukunft über ein standardisiertes, europaweit anerkanntes Dokument verfügen, das die grundlegenden Informationen zur Gesellschaft in einer formell verlässlichen Weise bereitstellt. Zusätzlich stärkt die verstärkte Transparenz durch die umfassende digitale Vernetzung der Register die Wettbewerbsfähigkeit und trägt zur Bekämpfung illegaler Aktivitäten wie Geldwäsche bei. Auch die Verbesserung der Sicherheitsstandards durch digitale Verfahren sorgt für eine höhere Vertrauenswürdigkeit der Unternehmensdaten, was die Zusammenarbeit und den Austausch innerhalb des europäischen Binnenmarkts erleichtert.
Auf der anderen Seite bringt die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten erhebliche Herausforderungen mit sich. Die nationale Anpassung der Systeme und die Vereinheitlichung der Verfahren stellen eine komplexe und teils kostspielige Aufgabe dar. Insbesondere die Einbeziehung von Personenhandelsgesellschaften könnte sich in manchen Ländern in der Umsetzung als problematisch erweisen. Diese Gesellschaften sind in vielen Mitgliedstaaten unterschiedlich reguliert, was die angestrebte Einheitlichkeit der Regelungen beeinträchtigen könnte. Zudem muss die technische Infrastruktur der nationalen Register an die neuen Anforderungen angepasst werden, was einen zusätzlichen Aufwand und Investitionen erfordert.
Insgesamt bieten die neuen Regelungen eine solide Grundlage für die weitere Digitalisierung des europäischen Gesellschaftsrechts und schaffen ein effizienteres, transparenteres Umfeld für Unternehmen im Binnenmarkt.
Es bleibt abzuwarten, ob die DigiRL II von den Mitgliedstaaten auch so umgesetzt wird, dass das erhoffte Wachstum und die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU tatsächlich erfolgen.